Eine neue Studie aus Basel zeigt, dass Privatversicherte öfter am Herzen behandelt werden. Der Patientenschutz kritisiert die «falschen Anreize».
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Privatversicherte haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, am Herzen operiert zu werden, als Allgemeinversicherte. (Archiv) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Privatversicherte haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Herz-Operation zu erhalten.
  • Unnötige Operationen sind auch dem Patientenschutz zufolge eine «Realität».
  • Für Spitäler seien Zusatzversicherte eine «lukrative Patientenklasse».

Bei privat Zusatzversicherten steigt die Wahrscheinlichkeit, am Herzen operiert zu werden – im Vergleich zu Grundversicherten – um elf Prozent. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Basel. Konkret entspricht dies 895 zusätzlichen Eingriffen pro Jahr.

Studienautor Tristan Struja warnt: «Unsere Daten weisen darauf hin, dass Personen mit Zusatzversicherungen Behandlungen erhalten, die sich medizinisch nur schwer rechtfertigen lassen. Und daher möglicherweise unnötig sind.»

«Klare ökonomische Anreize» für Spitäler

Denn eigentlich sollten Privatversicherte weniger Eingriffe benötigen als Grundversicherte: Sie sind nämlich tendenziell besser ausgebildet, gesünder, verfügen über ein höheres Einkommen und werden seltener ins Spital eingewiesen.

Die Studienautoren erklären sich die Diskrepanz einerseits damit, dass Privatversicherte mehr Geld für ihre Versicherung ausgeben. Deshalb würden sie die medizinische Versorgung auch stärker in Anspruch nehmen.

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Eine neue Studie aus Basel zeigt: Privatversicherte werden häufiger am Herzen operiert.
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Der Grund wird unter anderem in den «ökonomischen Anreizen» der Spitäler vermutet. (Archiv)
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Die Schweizerische Patientenorganisation hält fest: Unnötige Operationen seien eine «Realität». (Archiv)
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Für die Spitäler würden «falsche Anreize» geschaffen – denn sie müssen rentabel sein. (Archiv)
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Dass kardiologische DRGs (diagnosebezogene Fallgruppen) sehr gut vergütet werden, sei «allgemein bekannt», so ein Helsana-Sprecher. (Symbolbild)

Andererseits lässt sich mit ihnen auch viel Geld verdienen. Für die Spitäler bestehen demnach «klare ökonomische Anreize», an dieser lukrativen Patientenklasse Eingriffe im stationären Rahmen vorzunehmen. «Anstatt darauf zu verzichten oder sie zumindest ambulant durchzuführen.»

Die Studie deckt sich mit den Beobachtungen der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO): «Es ist nicht einfach ein Vorwurf, dass unnötige Operationen durchgeführt werden. Das ist die Realität», sagt Geschäftsführerin Susanne Gedamke gegenüber Nau.ch.

Kein Spital könne sich davon freisprechen, teils Operationen durchzuführen, die «medizinisch nicht indiziert sind».

Spitäler müssen sich rentieren

«Das Problem ist, dass Spitäler einige Investitionen, zum Beispiel Bauinvestitionen, aus dem Gewinn der Patientenversorgung finanzieren müssen», so Gedamke. Spitäler müssen somit rentabel sein. «Das schafft aus Sicht einer Patientenorganisation absolut falsche Anreize für das Spital», hält sie fest.

Der grösste Schweizer Krankenversicherer Helsana bestätigt: Jedes Tarifsystem setze Anreize – «teils auch Fehlanreize».

Seit 2012 gibt es keine Tagespauschalen mehr, sondern einen Betrag für eine Behandlung: Sogenannte Fallpauschalen unter dem Namen «Swiss DRG». «Es ist allgemein bekannt, dass kardiologische DRGs sehr gut vergütet werden», so Helsana-Sprecher Urs Kilchenmann.

Sind Sie zusatzversichert?

Auch für die Versicherungsgesellschaft Groupe Mutuel sind die Studienergebnisse aus Basel «sehr interessant». Aktuell werde intern diskutiert, ob man nun Massnahmen ergreifen müsse, heisst es auf Anfrage.

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