Obwohl Omar bereits seit 2016 in der Schweiz ist, sich um seine Integration bemüht und eine Lehrstelle hat, wird er nun abgewiesen – zum Ärger seiner Chefs.
Koch Lehrling
Lehrlinge des dritten Lehrjahres bei einem praktischen Kochkurs an der Ecole Professionnelle de Montreux (EPM) im Juni 2020. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Omar Habibi reiste 2016 aus Afghanistan in die Schweiz ein.
  • Er befindet sich nun im ersten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Koch.
  • Diese darf er nun jedoch nicht abschliessen, weil er abgewiesen wurde.
  • Sein Betrieb versucht alles, um ihn behalten zu können.

Seit über vier Jahren ist Omar Habibi* nun bereits in der Schweiz. Im November 2016 flüchtete er aus Afghanistan – die Taliban wollten ihn zwangsrekrutieren für ihren Glaubenskrieg und an die Front schicken. Als Angehörige der Ethnie der Qezelbash hatten Omar und seine Brüder bereits unter Zwang für die Islamisten arbeiten müssen.

Eine Rückkehr nach Afghanistan kam für Omar nie infrage, also bemühte er sich gleich um eine erfolgreiche Integration. Er besuchte verschiedene Kultur- und Deutschkurse und ging mehrfach einer Arbeit nach. Im Sommer 2020 schliesslich begann Omar seine Ausbildung zum Koch im Restaurant «Le Beizli» in Bern.

Asylgesuch abgewiesen

Die Geschichte klingt zwar nach einem Musterbeispiel erfolgreicher Integration eines geflüchteten Menschen, hat aber einen Haken: Das Asylgesuch wurde im September 2019 abgewiesen. Nach dem erfolglosen Rekurs ist nun am 1. Januar Omars Ausreisefrist abgelaufen.

Nach Ablauf der Ausreisefrist «ist jegliche Erwerbstätigkeit sowie Teilnahme an gemeinnützigen Beschäftigungsprogrammen verboten.» So schreibt es das Asylgesetz vor. Ob die Ausreise tatsächlich erfolgt, spielt dabei keine Rolle.

Für Omar und seinen Arbeitgeber heisst das in diesem Fall, dass das Ausbildungsverhältnis sofort beendet werden muss. Die KG Gastrokultur GmbH, zu der das Restaurant gehört, reagiert bestürzt auf den Entscheid.

«Diese unmenschliche Vorgehensweise befremdet uns zutiefst», schreibt das Unternehmen dazu auf Facebook.

«Menschen wie Omar, die sich integrieren, unsere Sprache lernen und unsere Kultur verinnerlichen und dabei ehrgeizig und unbeirrbar ihren Weg gehen, sind für unser Land, unsere Gesellschaft und für unsere Branche, die unter Fachkräftemangel leidet, unverzichtbar.» Eine Rückführung nach Kabul sei für Omar äusserst gefährlich.

Auch für den Betrieb habe die Situation beachtliche negative Konsequenzen. Die Integration des Lehrlings im Betrieb sei bereits weit fortgeschritten. Dem Ausbildungsbetrieb werde so ein vernünftiges «return on investment» auf die Ausbildungsinvestition verunmöglicht.

Betrieb entsetzt über Kommunikation der Behörde

Doch nicht nur der Entscheid an sich sorgt für Entsetzen bei der Geschäftsführung: «Das Vorgehen ist für uns bezüglich Form und Terminen nicht akzeptabel.»

Dass Omars Ausreisefrist am 1. Januar abgelaufen ist, geht aus einem Schreiben des Amts für Bevölkerungsdienste (ABEV) hervor – datiert auf den 7. Januar. Das Restaurant selber erhält nur eine Kopie des Briefes mit einem Formular. Darin soll der Betrieb festhalten, wann das Ausbildungsverhältnis beendet wird.

Dieses Vorgehen verletze jegliche Formvorschriften, findet der Arbeitgeber: «Es missachtet Informationspflichten der Behörden und unsere durch den Ausbildungsvertrag erworbenen Rechte und ist deshalb ungültig und nicht akzeptabel.» Und ausserdem lasse diese Art der Kommunikation ein Minimum an Anstand vermissen.

Er hätte erwartet, dass eine solch weitreichende Entscheidung in einer klaren, beschwerdefähigen Weisung mitgeteilt werde.

Betriebe kennen das Risiko

Der Berner Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller äussert sich «aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen» nicht zu diesem konkreten Fall.

Über das Risiko, eine Lehrstelle anzutreten bei einem laufenden Verfahren, würden jedoch sowohl die Flüchtlinge als auch die Betriebe informiert. «Bei der Erteilung der Bewilligung für den Lehrantritt einer Person im hängigen Verfahren weist das zuständige kantonale Amt für Bevölkerungsdienste ausdrücklich hin.»

«Der Arbeitgeber bestätigt mit seiner Unterschrift sogar die Kenntnisnahme dieses Risikos. Ebenfalls wird in der Verfügung zum Stellen-/Lehrantritt klar darauf aufmerksam gemacht, dass die Bewilligung nach Ablauf der mit dem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid festgesetzten Ausreisefrist erlischt», so Müller auf Anfrage von Nau.ch.

*Name geändert

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