Der Schweizer Baubranche fehlt der Nachwuchs. Jetzt müssen Firmen mit mehr Lohn und flexiblen Teilzeit-Pensen um Fachkräfte werben.
Baubranche
In der Baubranche und Industrie fehlen die Fachkräfte – weil Baby-Boomer in Pension gehen. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweizer Baubranche kämpft derzeit stark mit dem Fachkräftemangel.
  • Grund dafür ist auch, dass Baby-Boomer in Pension gehen und keine Jungen nachrücken.
  • Das Problem wird sich auch auf andere Branchen ausweiten, ist ein Experte überzeugt.

Im Sommer beginnen tausende Schweizer Lernende ihre Ausbildung in hunderten verschiedenen Berufen. Für einige Branchen wird die Suche nach Nachwuchs aber immer schwieriger.

Besonders extrem ist die Situation im Baugewerbe. Zahlen aus dem Kanton Aargau zeigen: Von über 180 ausgeschriebenen Stellen sind erst 38 besetzt – und das kurz vor dem Lehrbeginn.

Grosser Personalmangel in Bau und Industrie

Der Mangel an Lernenden in der Baubranche und Industrie ist für die Unternehmen mit dem aktuellen Fachkräftemangel besonders schlimm. «Es gehen derzeit weit mehr Fachpersonen in Pension als aus dem Nachwuchs in den Arbeitsmarkt nachrücken», berichtet der Verband Swissmem.

Auch in der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie fehlte es schon vor Corona an Fachkräften. «Mit der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie hat sich das aber noch spürbar verschärft», so der Branchenverband auf Anfrage.

Baubranche
Baubranche und Industrie kämpfen mit einem schweren Fachkräftemangel.
Industrie
Im Kanton Aargau sind etwa noch 80 Prozent der Bau-Lehrstellen für dieses Jahr unbesetzt.
Baubranche
Das Problem gab es schon vor Corona, das derzeitige Konjunkturhoch verschlimmert aber die Situation.
Laut Berechnungen der Credit Suisse kommen in der Schweiz in den nächsten zehn Jahren rund 1,1 Millionen Personen ins Rentenalter. (Themenbild)
Laut Berechnungen der Credit Suisse kommen in der Schweiz in den nächsten zehn Jahren rund 1,1 Millionen Personen ins Rentenalter. (Themenbild)
Baby-Boomer
Die in Pension gehenden Baby-Boomer hinterlassen bei den Unternehmen eine schwer füllbare Lücke.

Auf dem Bau ist das Problem ähnlich gelagert. «Gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte sind sehr gefragt», berichtet etwa Bau-Riese Implenia gegenüber Nau.ch.

Das Unternehmen investiere daher stark in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Das Unternehmen beobachtet aber ebenfalls: «Babyboomer gehen in Pension, es kommen weniger Junge nach.»

Sind Sie ein Baby-Boomer?

«Dieses Phänomen muss man auf dem Schirm haben», meint Arbeitsmarktexperte Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Denn jedes Jahr gehen mehr Leute der bevölkerungsstarken Baby-Boomer-Generation in Rente.

BFS
Die Statistik zeigt, wie die Generation der sogenannten Baby-Boomer nun das Rentenalter erreicht. - BFS

Die Baubranche sei mit so stark betroffen, weil die Arbeitnehmer sich tendenziell früher pensionieren lassen, mit 62 oder 63 Jahren. «In anderen Branchen wird derselbe Prozess in zwei bis drei Jahren zu sehen sein», ist Siegenthaler überzeugt.

Dies hat Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft: «Kurzfristig wird das die Wachstumsrate in der Schweiz nach unten drücken», erklärt der Experte.

Wettbewerb zwischen Arbeitgebern

Auf dem Arbeitsmarkt entsteht zudem ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Firmen, die Angestellte suchen. Davon profitiert der Arbeitnehmer: «Die Unternehmen müssen sich überlegen, höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen anzubieten als die Konkurrenz», so Siegenthaler. Gerade in der Baubranche kann er sich auch vorstellen, dass besserer Gesundheitsschutz und flexible Teilzeit-Pensen zum Thema werden.

«Gewisse Firmen müssen aber vielleicht auch Abstriche machen bei der Qualität der neuen Angestellten», glaubt der ETH-Experte. «Und nicht jede Firma kann jede Stelle besetzen.»

Industrie
Ein Arbeiter baut in einem Werk ein Getriebe zusammen. Foto: Felix Kästle/dpa - dpa-infocom GmbH

Diese Problematik wird die Schweiz wohl noch länger beschäftigen. «Der Baby-Boomer-Effekt wird weiter zunehmen», warnt Siegenthaler. Sobald sich das Konjunkturhoch nach Corona wieder gelegt habe, werde sich die Situation von selbst etwas entschärfen. «Derzeit ist die Arbeitslosigkeit extrem tief, aber das wird nicht immer so bleiben.»

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