Manchmal ist man unsicher – muss ich wirklich zum Arzt oder nicht? Dann helfen Med-Telefone. Nur: Teilweise schicken sie Patienten zu voreilig auf den Notfall.
Telefon
Med-Telefone wie Medphone oder Ärztefon haben einen Schönheitsfehler. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ärztetelefone helfen bei der Triage der Patienten.
  • Heisst: Sie geben Tipps, ob man zuwarten kann oder sofort zum Arzt muss.
  • Manchmal werden die Patienten aber unnötig auf den Notfall geschickt.
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Medizinische Telefone wie das Ärztefon oder das Medphone unterstützen Hausärztinnen und -ärzte und Notfallpraxen. Zu ihren Aufgaben gehört zum Beispiel das Triagieren – also einzuordnen, wie dringend die einzelnen Fälle sind.

Am Telefon erhält man dann Tipps: zum Beispiel, ob man noch zuwarten kann. Oder ob man gleich in eine Notfallpraxis soll oder in den nächsten Tagen einen Hausarzttermin machen sollte. Für die Ärztinnen und Ärzte eine willkommene Entlastung.

Doch einen kleinen Schönheitsfehler hat das System: Dadurch kommen einige Patientinnen und Patienten unnötig in die Notfallpraxis.

Seriöse Beurteilung am Telefon «kann schwierig sein»

Jean-Marc Gauer ist leitender Arzt beim City Notfall Sonnenhof in Bern. Er sagt zu Nau.ch: «Viele Patienten werden via Medphone zu uns geschickt. Leider sehr oft auch in Fällen, wo sich eine notfallmässige Behandlung nicht direkt als unmittelbar notwendig herausstellt.»

Warst du schon einmal in einer Notfall-Praxis?

Ein Grund: «Am Telefon kann es sehr schwierig sein, zu einer seriösen Beurteilung zu kommen.» Schliesslich könne man den Patienten oder die Patientin so nicht untersuchen. Zudem wird dort die Triage auch nicht von Ärztinnen oder Ärzten gemacht, sondern von Pflegefachpersonen oder medizinischen Praxisassistentinnen und -assistenten.

«Da ist es sehr verständlich, dass man auch bei geringem Zweifel eher raten wird, sich ärztlich vorzustellen.» Im Zweifelsfall gelte schliesslich, eine ärztliche Beratung zu empfehlen.

Med-Telefone lassen Option offen – Patienten interpretieren es falsch

Einen anderen Grund dafür, warum einige nach einem Telefongespräch zu rasch auf den Notfall kommen, sieht Michael Hofer. Er ist Arzt im City Notfall Postparc Bern und ärztlicher Leiter bei Medphone.

«Unsere Fachpersonen am Telefon raten natürlich niemandem, er solle sein Leiden auf keinen Fall einer Ärztin oder einem Arzt zeigen. Diese Option wird immer offengelassen.» Schliesslich kann sich ein Problem auch mit der Zeit verschlechtern.

Notfall
Einige Patienten kommen nach dem Gespräch mit einem Med-Telefon zu schnell in die Notfallpraxis. Abgebildet: Der City Notfall in Bern.
Medphone
Zwei Experten sehen verschiedene Gründe. (Symbolbild)
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Ein Arzt beobachtet, dass Patientinnen und Patienten teilweise zu schnell von den Med-Telefonen auf den Notfall geschickt werden. (Symbolbild)
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Ein anderer bestätigt das nicht – vermutet jedoch einen anderen Grund, warum einige zu schnell in der Notfallpraxis auftauchen. (Symbolbild)
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Die Fachpersonen am Telefon würden Patientinnen und Patienten die Option stets offen lassen, ihr Leiden einer Fachperson zu zeigen.
Arzt
Das dürften die einen oder anderen falsch interpretieren – und direkt zum Arzt oder zur Ärztin gehen. (Symbolbild)

Die Folge: «Ich vermute, dass einige nach einem Telefongespräch direkt in die Notfallpraxis kommen, weil ihnen die Option offen gelassen wurde.»

Die Beobachtung von Gauer, dass Patientinnen und Patienten teils zu voreilig auf den Notfall geschickt werden, teilt er aber nicht. «Dienste wie das Medphone sind eine grosse Entlastung für Notfallpraxen und Notfallstationen, da sie die Patientinnen und Patienten vortriagieren.»

Dem stimmt auch Jean-Marc Gauer zu – und gibt zu bedenken: «Wir wissen natürlich auch nicht, in wie vielen Fällen die Patienten direkt beraten werden, ohne zu uns weiterverwiesen zu werden.»

Aus rechtlichen und Sicherheitsgründen empfehlen Telefone eher Arzttermin

In St. Gallen sagt Sprecher Philipp Lutz vom Kantonsspital zwar: «Aus rechtlichen und aus Gründen der Patientensicherheit weisen die Telefonhotlines verständlicherweise eher zu, als dass sie raten, zu Hause zu bleiben.» Aber dass Patientinnen und Patienten häufig «zu schnell» ins Notfallzentrum geschickt werde, stelle das Spital nicht fest.

Ähnlich klingt es bei der Medizinischen Notrufzentrale MNZ, die für beide Basel, den Aargau und Zug zuständig ist. Feedback, dass Patientinnen und Patienten von der MNZ zu rasch auf den Notfall geschickt werden, habe sie nicht erhalten.

«Würden wir öfter unnötige Besuche auf der Notfallstation empfehlen, dann würden wir davon rasch hören», sagt Geschäftsführer Stephan Burla. Schliesslich bestehe die Trägerschaft hauptsächlich aus den Ärztegesellschaften und Spitälern in den vier Kantonen, so der Ökonom.

Gehst du schnell zum Arzt oder zur Ärztin?

«Dank der hohen Qualifikation unseres Teams und der engen Ärzte-Zusammenarbeit vermuten wir, dass wir viele unnötige Notfall-Besuche vermeiden helfen.» Daten dazu gebe es aber keine.

Der Notfall Zürich 3 äussert sich nicht zum Thema. Die Hirslanden-Gruppe geht auf die Frage, ob Med-Telefone Patientinnen und Patienten teils zu rasch vorbeischicken, nicht ein. Sprecherin Regina Gerdes betont aber, dass beide Zürcher Hirslanden-Kliniken das Telefon-Angebot «begrüssen».

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