Zwei Tiefseepioniere, einer davon Schweizer, haben vor 60 Jahren den wohl tiefsten Punkt des Meeres, den Marianengraben, erreicht.
Marianengraben
Das «Bathyscaphe» Trieste 1953 bei einem Testtauchgang nahe Neapel. Piccard sitzend rechts. - sda - Keystone/AP

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor 60 Jahren erreichten Jacques Piccard und Don Walsh eine Meerestiefe von 10'916 Meter.
  • In dieser Tiefe im Marianengraben fanden die zwei Tiefseetaucher sogar Leben vor.
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Eingepfercht in einer Art Röhre haben die beiden Männer vor 60 Jahren Tiefseegeschichte geschrieben: Der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh erreichten als erste Menschen eine der tiefsten Stellen der Meere. Das Challenger-Tief im Pazifik gelegenen Marianengraben.

In fünf Stunden zehn Kilometer nach unten

Die beiden liessen sich in ihrem Tiefsee-U-Boot «Trieste» hinabgleiten, mit Sauerstoff für zwei Tage und einem Unterwassertelefon. In 4 Stunden und 47 Minuten gelangten sie in eine Tiefe von 10'916 Metern. Als sie am 23. Januar 1960 mit ihrer Kapsel zur Wasseroberfläche zurückkehrten, waren sie Helden und Pioniere der Tiefseeforschung geworden.

«Trieste»
Das Tiefsee-U-Boot «Trieste» erreichte im Marianengraben eine Tiefe von etwa 10910 Meter. - Keystone

Beängstigend fand Piccard das Abenteuer nicht. «Am Grund war es dann so schön, friedlich und still. Da kamen wir nicht auf die Idee, Angst zu haben», sagte er 2007 der «Neuen Zürcher Zeitung». Piccard hatte sein U-Boot bei der Schiffstaufe statt mit Champagner mit Weihwasser bespritzen lassen.

Schreckmoment im Marianengraben

Trotzdem erlebten die beiden im Marianengraben einen haarigen Moment: Bei fast 10'000 Metern Tiefe hörten sie eine laute Implosion. Dies erzählte Walsh 2017 in einem Video, das den Tauchgang in Virtual-Reality-Manier zeigt. «Weil wir noch lebten und alle Instrumente funktionierten, sagten wir uns: Es kann nicht so schlimm gewesen sein und entschieden, den Tauchgang fortzusetzen», so Walsh.

"Trieste"
Die "Trieste" zeigt die Flagge der Schweiz und der USA. - Keystone

Wie sich später herausstellte, hatte eine Luke am Einstiegsschacht unter dem enormen Wasserdruck vom Marianengraben Risse bekommen. Aber sie hielt. Die vom Stahlbauer Krupp in Essen gefertigte kleine Tauchkapsel hing unter riesigen Ballasttanks.

Leben in 10'000 Meter Tiefe

Aus ihrem Fenster sahen Piccard und Walsh ein paar Meter über dem Boden in lichtloser Tiefe eine Sensation: aus dem Schlick glotzte sie ein etwa 30 Zentimeter langer Plattfisch an. Wissenschaftler meinten später, es könne auch eine Seegurke gewesen sein. Wie auch immer: dass es so tief am Meeresboden Leben gab, war bis dahin unbekannt.

«Das Ziel meines Vaters war es ja nicht, einen Rekord aufzustellen. Er wollte sehen, ob es dort unten Leben gibt», sagt Jacques Sohn Betrand Piccard der Deutschen Presse-Agentur. Seinerzeit sei überlegt worden, Atommüll auf dem Meeresboden zu deponieren. Die Entdeckung von Piccard und Walsh habe das verhindert.

Die Familie Piccard

Piccard junior wurde knapp zwei Jahre vor dem legendären Tauchgang geboren. Piccard erzählte, er habe mal seinen Vater im Fernsehen gesehen. Darauf kroch er hinter die Kiste, um zu schauen, ob der Vater sich dort versteckt hatte.

Auguste Piccard
August Piccard in der Gondel seines Ballons. - Keystone

Schon der Grossvater hatte Geschichte geschrieben. Auguste Piccard war 1931 in einem Ballon 15.785 Meter, so hoch wie niemand vor ihm geflogen. Was macht so eine Familiengeschichte mit einem?

«Es bedeutet jede Menge Druck auf die dritte Generation», sagt Bertrand Piccard. Nicht vom Vater, wie er betont, aber von der Öffentlichkeit. Bertrand Piccards Reaktion: Er wurde Psychiater. «Ich wollte auch etwas entdecken, aber mehr die innere Welt des Menschen», sagt er.

Weltumrundung mit Solarenergie

Ein paar Jahre klappte das, dann kam der Pioniergeist durch: 1999 umrundeten Bertrand Piccard und Brian Jones als erste die Welt nonstop in einem Ballon. 2015 und 2016 lenkte Piccard das nur mit Solarenergie angetriebene Flugzeug Solar Impulse in mehreren Etappen um den Globus. Dies abwechselnd mit dem Schweizer Piloten André Borschberg.

«Breitling Orbiter 3»
Mit dem «Breitling Orbiter 3» umrundete Bertrand Piccard und Brian Jones die Welt. - Keystone

Es sei der gleiche Entdeckergeist gewesen, sagt Piccard: seine eigenen Grenzen zu testen und gängige Überzeugungen infrage zu stellen. «Jeder von uns hat etwas gemacht, von dem man zu dem Zeitpunkt annahm, dass es unmöglich war», sagt Bertrand Piccard.

Piccard und Walsh

Jahrzehnte lang blieben Piccard und Walsh die einzigen Menschen, die in eine solche Tiefe getaucht waren. 2012 schaffte es der kanadische Regisseur James Cameron auf den Boden des Marianengrabens etwa 2000 Kilometer östlich der Philippinen.

Piccards Rekord von 10'916 Metern im Marianengraben blieb bestehen. Im Mai 2019 meldete der US-Abenteurer Victor Vescovo allerdings, er sei in einem Spezialgefährt bis auf 10'928 Meter Tiefe getaucht.

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