Mami geht mit Bub in Damengarderobe – Frau flippt aus
Eine Frau weist eine Mutter in einer Badi-Garderobe zurecht, weil sie sich mit ihrem Sohn dort umzieht. Der Konflikt erhitzt die Gemüter.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Mutter nimmt ihren achtjährigen Sohn in die Garderobe mit – eine Frau stört sich.
- In einer Facebook-Gruppe gehen die Meinungen dazu auseinander.
- Eine Genderforscherin begrüsst Familiengarderoben in Badis.
An der Garderobentür trennen sich die Wege von Frauen und Männern. Dies erwarten manche Badegäste auch, wenn Kinder dabei sind. Die Mutter eines achtjährigen Sohnes hat dies hart zu spüren bekommen.
Sie habe sich mit ihrer Tochter und ihrem Sohn in der Frauengarderobe einer Badi umgezogen, berichtet die Mutter. «Da hat mich eine Frau belehrt, dass mein Sohn nichts in der Frauengarderobe zu suchen hat.» Der Bub solle gefälligst draussen warten, habe die Frau verlangt.
Dies berichtet die Mutter in einem anonymen Facebook-Post in der Mutter-Gruppe «Mami Frei Schnauze».

«Echt peinlich gewesen»
Die Userin will wissen, wie andere Badegäste in dieser Situation vorgehen. Sie gehe «ganz sicher nicht» mit ihrem Jungen zusammen in die Männergarderobe, erklärt sie.
«Und alleine möchte ich ihn auch nicht schicken.» Auch Umziehen im Freien komme für ihren Sohn nicht infrage, da es ihm peinlich sei.
Mit ihrem Post erhitzt die Mutter die Gemüter – über 200 Kommentare hat es gehagelt.
«Würde mich auch stören. Sorry», schreibt eine Userin.
Eine weitere berichtet von einer ähnlichen Situation in einem Hallenbad. In der Frauengarderobe sei ein 12- oder 13-jähriger Junge gewesen. Einzelkabinen habe es nur wenige gegeben und diese seien besetzt gewesen. «Das fand ich schon sehr unangenehm, mich da umzuziehen.»
Auch für ihre damals 14-jährige Tochter sei es «echt peinlich» gewesen. «Klar, haben wir mit dem Tüechli soweit verdeckt. Trotzdem fand ich das daneben.»
«Von Jungs ‹angestarrt› werden»
Manche Userinnen geraten in Rage. Jemand richtet sich an «die Muttis, die ihre Jungs mit über sieben noch in die Damengarderobe nehmen». «Ist euch eigentlich bewusst, dass es die Mädchen stören könnte?»
Eine Mutter sagt, dass sie als «Meitlimami» einen neunjährigen Buben darauf hinweisen würde, dass dies eine Mädchen- respektive Frauengarderobe sei. «Warum müssen die Mädchen das mit sich machen lassen?» Stattdessen sollten diese Mütter mir ihren Buben doch in die Männergarderobe gehen.
Jemand denkt auch an die Teenager-Mädchen. «Denen ist es unangenehm, wenn sie von Jungs ‹angestarrt› werden.» Sie ist der Meinung, dass Buben spätestens ab der ersten Klasse nicht mehr in die Frauengarderobe gehörten.
Männerkabine ist aus Angst tabu
Andere Mamis schicken ihre Söhne bereits in die Männergarderobe. «Also, mein siebenjähriger Sohn zieht sich alleine in der Männerumkleidekabine um und ich warte draussen», so eine Userin. Ab Kindergartenalter könnten die Buben dies problemlos alleine tun.
Manche Userinnen nehmen die Mutter aber auch in Schutz. Sie gehe mit ihrem Siebenjährigen auch in die Frauenkabine und auf die Frauentoilette, berichtet ein Mami.
«Ich finde das frech von der anderen Person!» Ihrer Meinung nach habe die Mutter richtig gehandelt.
Oft schicken Mütter ihre kleinen Söhne aus Angst vor Übergriffen nicht in die Männergarderobe. Sie würde ihren neunjährigen Sohn ‹nie› in die Männergarderobe lassen, sagt etwa ein Mitglied der Gruppe.
«Es kann auch immer etwas passieren.» Eine Userin erzählt, dass ihr kleiner Bruder mit elf Jahren in einer Männergarderobe belästigt worden sei.
Gäste umgehen Kabinen
Manchmal führt der Geschlechtermix in Garderoben zu Reklamationen. In Frei- wie auch in Hallenbädern komme dies vor, sagt Martin Enz. Er ist Geschäftsführer des Verbands der Hallen- und Freibäder (VHF).
Der VHF empfiehlt den Betrieben für den Eintritt ein Mindestalter von acht Jahren. Demnach sollten jüngere Kinder mit einem Elternteil in die Garderobe gehen dürfen, sagt Martin Enz.
Die Entscheidung liege aber alleine beim Anlagenbetreiber. «Und beim Elternteil, der sein Kind am besten einschätzen kann.»
Er macht jedoch auch auf einen zunehmenden Trend in reinen Freibädern aufmerksam. So kämen die Gäste direkt in der Badehose in die Badi. «Shorts und Shirt zieht man gleich bei der Liegewiese aus.»
Bei Hallenbädern empfiehlt der Verband jedoch, Familiengarderoben zu nutzen.
Ausnahmen für Eltern
Auch das Sportamt der Stadt Bern empfiehlt Eltern, sich mit ihren Kindern in Familien- und Universalgarderoben umzuziehen.
Beat Burkhalter ist Bereichsleiter Sportanlagen Eis und Wasser. «Eltern dürfen auch andere Garderoben nützen», sagt er.
Dies sei der Fall, wenn dies aus bestimmten Gründen nicht möglich sei. «In den meisten Garderoben gibt es zusätzlich Nischen mit einem Vorhang oder einer abschliessbaren Tür.»
Eltern können laut Burkhalter selbst am besten einschätzen, wann sie ihre Kinder selbständig in eine Garderobe schicken.
Familiengarderoben würden eingeplant
In den Sommerbädern der Stadt Zürich gibt es noch keine Familiengarderoben. Solche bieten etwa das Hallenbad Bläsi und das Hallenbad Oerlikon an.
Tobias Bernhard, Abteilungsleiter Bade- und Eisanlagen beim Sportamt, führt dies genauer aus. «Die Stadt Zürich ist allgemein bestrebt, allgemein zugängliche Garderoben in Badeanlagen anzubieten», sagt er. So wolle die Stadt Familien mehr Freiheit ermöglichen.
In bestehenden Anlagen ist es laut Bernhard leider nicht immer möglich, Familiengarderoben zu schaffen. «In Neubauprojekten werden solche Garderoben eingeplant.»
In einigen Sommerbädern gibt es aktuell jedoch andere Ausweichmöglichkeiten. Dies in Form von allgemein zugänglichen Einzel- beziehungsweise Tageskabinen.
«Viele Leute sind verunsichert»
Dominique Grisard ist Genderforscherin an der Universität Basel. Sie begrüsst, dass Badis zunehmend auch Familien- und Universalgarderoben anbieten.

Die Gesellschaft sei individualisierter geworden, sagt sie. «Die öffentlichen Institutionen müssen den verschiedenen Ansprüchen je länger je mehr Rechnung tragen.»
Sie stellt fest, dass die Menschen im Hinblick auf sexuelle Belästigung und Gewalt sensibilisierter geworden sind. «Das führt dazu, dass auch viele Leute verunsichert sind und Ängste haben.»
Zudem könne auch ein traumatisches Erlebnis hinter einer harschen Reaktion wie im Fall der Badi-Garderobe stecken. «Wir wissen schlicht nicht, was diese Frau erlebt hat.»