Lufthansa nennt keine Geschlechter mehr. Bald Normalität?
Lufthansa und Swiss sprechen Fluggäste nicht mehr mit «Damen und Herren» an. Eine Geschlechterforscherin ordnet den Entscheid ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Neu sprechen Lufthansa und Swiss ihre Passagiere geschlechtsneutral an.
- Rund ein Drittel der deutschen Unternehmen setzen auf geschlechtsneutrale Sprache.
Es ist eine kleine Änderung, die für heftige Reaktionen sorgt. Der ganze Lufthansa-Konzern – damit auch die Swiss – spricht Passagiere künftig nicht mehr mit «Damen und Herren» an.
Man wolle mit der Ansprache alle Menschen berücksichtigen, heisst es aus der Konzernzentrale in Frankfurt. Neu begrüsst die Airline mit «Guten Tag», «Guten Abend» oder auch einfach «Herzlich willkommen an Bord».

Die Kritik darauf liess nicht lange warten. «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt zieht Vergleiche mit Orwell-Romanen, die Schweizer «Weltwoche» wittert Opportunismus.
Debatte im Mainstream angekommen
Fabienne Amlinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern, kommentiert: «Die Ankündigung von Lufthansa zeigt, dass die Debatte über gendergerechte Sprache mittlerweile breit angekommen ist.»
Denn die Airline ist nicht allein. Gemäss einer Umfrage von des HR-Unternehmens Randstad nutzt jedes dritte deutsche Unternehmen mittlerweile genderneutrale Sprache. Viele Stellenausschreibungen sind heute geschlechtsneutral. Und Apple will im kommenden iPhone-Betriebssystem Gendern zum Standard machen.

Anders als die Kritiker hält Amlinger den Entscheid der Lufthansa aber nicht für opportunistisch. Denn: «Es wäre viel einfacher, keine Position zu beziehen.»
«Fräulein» aus Sprachgebrauch verschwunden
Die Sprache entwickelt sich kontinuierlich weiter. Früher grüsste man noch «hochachtungsvoll», unverheiratete Frauen nannte man «Fräulein». «Dass irgendwann die Anrede ‹Damen und Herren› verschwinden wird, ist gut möglich», sagt die Forscherin.

Welche Alternativen bieten sich an? Man müsse überlegen, wen man Ansprechen wolle, sagt Amlinger. «Bei der Lufthansa heisst es jetzt ‹willkommen an Bord›, auf der Arbeit eignet sich ‹liebes Team›. Hier gibt es viele kreative Möglichkeiten.»
Die Mehrheit der Passagiere der Airline dürften mit der bisherigen Ansprache kein Problem haben. «Dass eine Mehrheit sich nicht diskriminiert fühlt, ist nicht entscheidend», erklärt die Forscherin. Denn: «Wenn jetzt Lufthansa Reisende mit ‹willkommen an Bord› begrüsst, wird niemand ausgeschlossen.»