Langwierige Gerichtsverhandlung gegen Hausbesetzerkollektiv in Bern

Keystone-SDA
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Bern,

Insgesamt 16 Angeklagte stehen seit Montagmorgen wegen einer Hausbesetzung im Jahr 2017 vor Gericht. Bei der Räumung der Liegenschaft war es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen.

Effingerstrasse
Die Effingerstrasse in Bern. - Screenshot Google Streetview

Das Wichtigste in Kürze

  • Einzelrichterin Bettina Bochsler nahm die Gerichtsverhandlung vor vollen Rängen im geräumigen Assisensaal auf.

Administratives nahm einen Gutteil des Vormittags in Beschlag, denn Termine von Anwälten, Klägern und Angeschuldigten wollten mit dem Verhandlungsplan des Gerichts in Einklang gebracht werden.

Vor der Mittagspause traten zwei Polizisten als Zeugen der Geschehnisse auf. Ihre Befragung trug aber nichts Wesentliches mehr zum Sachverhalt bei. Beide bestätigten im Grundsatz das, was sie seinerzeit in ihren Rapporten vermerkt hatten.

Seinerzeit heisst: im Februar 2017. Damals hatte ein mutmasslich linksautonomes Besetzerkollektiv, das sich «Oh Du Fröhliche» nannte, eine leerstehende Liegenschaft an der Effingerstrasse 29 in Bern besetzt. Das Kollektiv forderte Freiräume und demonstrierte gegen das knappe Wohungsangebot. Sie hätten keine Lust mehr, immer teurere Mieten zu bezahlen« und wollten in einer solidarischen Gemeinschaft leben, liess das Kollektiv verlauten.

Weiter wollten sie mit der Protestform einer Besetzung auf Missstände aufmerksam machen, etwa Aufwertungen, welche schlechter Verdienende aus der Stadt verdrängten.

Die Liegenschaft an der Effingerstrasse 29 gehört dem Bund, der das Haus mitten in der Stadt Bern schliesslich räumen liess.

Als die Polizei am frühen Morgen anrückte, wurde sie von den Besetzenden mit Farbe, Ziegelsteinen, Geschirr und anderen Gegenständen aus den Fenstern der Liegenschaft beworfen, wie aus der Anklageschrift hervorgeht.

Im Innern war das Treppenhaus verbarrikadiert und die Besetzter sprühten die Einsatzkräfte mit Schaum- und Staubfeierlöschern ein. Feuerwerksbatterien knallten in unmittelbarer Nähe der Polizisten. Einer wurde von einer Rakete am Visier getroffen, etwa auf Augenhöhe, wie der Anklageschrift zu entnehmen ist.

Aus dem vierten oder fünften Obergeschoss wurde eine Holztüre aus dem Fenster geworfen, die nur einige Meter neben einer Gruppe Polizisten am Boden zerschellte.

Die Polizei setzte gegen die Besetzer Gummischrot ein, wie seinerzeit ein Journalist der Nachrichtenagentur Keystone-sda vor Ort feststellte. Die Ausschreitungen dauerten den ganzen Vormittag.

Letztlich gewann die Polizei die Überhand und räumte das Gebäude. Ein Teil der Effingerstrasse musste stundenlang gesperrt werden, Der Verkehr in der Innenstadt war stark beeinträchtigt.

Den Angeklagten Frauen und Männern werden Hausfriedensbruch sowie Gewalt und Drohungen gegen Beamte zur Last gelegt. Die Strafanträge reichen von teilweise bedingten Geldstrafen zwischen 175 und 270 Tagen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr.

Der Prozess ist auf rund drei Wochen angesetzt. Das Urteil wird am 17. Juni fallen. Offen ist, ob sich die Angeklagten zu den ihnen gemachten Vorwürfen äussern werden. Von ihnen kam am Montagvormittag noch niemand zu Wort.

Die Räumung der Liegenschaft an der Effingerstrasse und der damit verbundene Polizeieinsatz sorgten in Bern für heftige Diskussionen. Während linke Kreise die Polizeiaktion als völlig unverhältnismässig kritisierten, warfen bürgerliche Kreise den Krawallmachern hohe Gewaltbereitschaft vor.

Nach der Räumung kam es in Bern zu mehreren Solidaritätsaktionen mit dem Besetzerkollektiv. Auch am Montagmorgen versammelten sich in der Nähe des Gerichtsgebäudes an rund 60 Personen, um ihre Solidarität mit den Angeklagten zu zeigen.

Linksautonom Kreise sprachen den Angeschuldigten in den Sozialen Medien Mut zu und kritisierten das Gerichtsverfahren als politischen Prozess, um ein Exempel zu statuieren. Für den 3. Juni ist in Bern ausserdem eine Solidaritätskundgebung geplant. In den vergangenen Tagen und Stunden kam es in Bern zu mehreren Hausbesetzungen als Zeichen der Solidarität mit den Angeklagten.

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