Influencer inszenieren sich gerne als besonders fleissig und streng mit sich selbst. Das färbt ab: Schon kleine Buben zeigen sich im Gym und beim Arbeiten.
Ein Bub prophezeit: «Wartet nur: Wenn ihr mich in ein paar Monaten in Dubai seht, wie ich mein bestes Leben lebe, werdet ihr sagen, das sei nur Glück!» - Tiktok

Das Wichtigste in Kürze

  • Sie haben noch nicht einmal den Stimmbruch, aber schon mehrere Firmen: Kinder-Influencer.
  • Kleine Buben inszenieren sich auf Tiktok und Co. als überfleissige Geschäftsmänner.
  • Das schauen sie sich bei den Grossen ab – zum Beispiel Andrew Tate.
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«Während ihr euch betrinkt und an Partys geht, arbeite ich an meinen Unternehmen.» Es ist ein Satz, den man so oder ähnlich oft von sogenannten «Hustle Culture»-Influencern hört. Also Männer – seltener Frauen – die online damit prahlen, wie fleissig sie sind.

Sie führen ihr Publikum auf Instagram, Tiktok oder Youtube durch ihren streng durchgetakteten Tag: Um 5 Uhr aufstehen, meditieren, Fitness-Studio, Proteine, Tagebuch-Schreiben und vor allem Arbeit, Arbeit, Arbeit.

Und schinden damit offenbar grossen Eindruck bei kleinen Buben. Denn der Satz mit den Partys und den Unternehmen kommt nicht etwa vom selbst erklärten Alpha-Mann Andrew Tate. Sondern von einem Kind, das die erwachsenen Vorbilder im Netz kopiert.

Bub will fünfmal am Tag posten

«Wartet nur: Wenn ihr mich in ein paar Monaten in Dubai seht, wie ich mein bestes Leben lebe, werdet ihr sagen, das sei nur Glück!», blufft der Bub, zirka zehn Jahre alt, in echter «Hustle»-Influencer-Manier.

Damit ist er nicht alleine – solche Videos gibt es zuhauf. Ein anderer Junge posaunt zum Beispiel: «Wenn du in ein Restaurant gehst, fragst du dich vermutlich, was du essen willst. Was du dich aber wirklich fragen solltest: Wie kann ich dieses Restaurant innerhalb von fünf Jahren kaufen?»

Bist du fleissig?

Sein Ratschlag: «Verändere deine Einstellung, um dein Leben zu verändern! Folge mir für mehr Tipps wie diese.» In einem weiteren Video zeigt er seinen Followern seinen Arbeitsplatz – darunter drei komplett ausgefüllte Tagebücher und ein Ratgeberbuch. Doch damit nicht genug: Er versuche, ganze fünf Videos am Tag zu posten.

Andere Clips zeigen Buben beim Trainieren, wie sie ihre Schulgspänli fürs Gamen auslachen und sie als «nutzlos» beschimpfen.

«Was zur Hölle machen die sozialen Medien mit diesen Kids?»

Bei Erwachsenen sorgen die hart arbeitenden Kinder für Staunen und Besorgnis. «Was zur Hölle machen die sozialen Medien mit diesen Kids?», kommentiert ein User. «Du bist 12, geh mit deinen Freunden Velofahren oder so.»

Für Medienexperte Patric Raemy von der Universität Freiburg ist klar: Die Kids spiegeln die gesellschaftlichen Werte, die ihnen von Influencern vermittelt werden. «Medien prägen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen früh mit.»

Viel Geld zu verdienen, sei in unserer Leistungsgesellschaft sehr angesehen. «Deshalb erstaunt es auch nicht sonderlich, dass ein paar Kinder und Jugendliche sich an dieser Norm orientieren.»

BUben
Kleine Buben inszenieren sich im Netz als Alpha-Männer.
Tiktok
Sie geben Tipps, wie man erfolgreich werden kann ...
Tiktok
... betonen, wie fleissig sie sind ...
Tiktok
... zeigen ihre Büros ...
Tiktok
... und beschimpfen ihre Freunde als «nutzlos», weil sie nicht arbeiten.

Kritisch wird es laut Raemy, wenn problematische Handlungs- und Denkmuster übernommen werden. Für viel Kritik sorgt zum Beispiel der «Hustle» und «Alpha»-Influencer Andrew Tate. Er fällt immer wieder mit frauenverachtenden Inhalten auf und beeinflusst damit auch kleine Buben.

Kontrollierst du, welche Influencer deine Kinder schauen?

Allzu besorgniserregend findet Raemy das Phänomen mit den fleissigen Influencer-Buben aber nicht. «Man kann auch versuchen, das Positive zu sehen: Es ist nicht grundsätzlich schlecht, wenn Kinder und Jugendliche sich darin üben, unternehmerisch zu denken und Tipps auf Social Media teilen.»

Solange sie nebenbei auch Dinge tun würden, die nichts mit Leistung zu tun hätten: «Spielen und basteln – alleine und mit anderen Kindern – sind sehr wichtig für die kindliche Entwicklung.» Denn auch beim Sich-Langweilen und Nichtstun könnten tolle, kreative Ideen entstehen.

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