Längst ist der Frauenhass-Influencer Andrew Tate auch in den Klassenzimmern angekommen. Ein Psychologe erklärt die Faszination, die er bei Buben auslöst.
Andrew Tate
Andrew Tate kommt mit seinen frauenverachtenden Botschaften bei vielen jungen Männern gut an. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut einem Männer-Experten schauen Knaben wegen fehlender Vorbilder zu Tate.
  • Teils bezeichnen 13- und 14-Jährige ihre Klassenkameradinnen als «Schlampen».
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Mehrere Millionen Follower hat Andrew Tate. Ihnen vermittelt er seine meist frauenverachtenden Botschaften. Besonders problematisch: Geschaut wird er unter anderem von vielen leicht beeinflussbaren jungen Teenagern.

Doch warum ist er für sie so faszinierend? Einen Grund sieht der Basler Männer-Experte Markus Theunert in der «Doppelbotschaft», die die Gesellschaft Buben gibt: «Wir verlangen, dass sie Unvereinbares vereinbaren. Nämlich ein Mann egalitärer Prägung und zugleich Mann traditioneller Prägung zu sein.»

Theunert
Markus Theunert, der Präsident von Maenner.ch. - keystone

Heisst: Von jungen Männern wird zwar einerseits erwartet, traditionell maskulin zu sein. Andererseits sollen sie aber auch Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern leben. Ein Widerspruch, der «verwirrend» sei.

«Und in dieser Situation kommt Andrew Tate», sagt der Leiter des Dachverbands progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen Maenner.ch zu «Spiegel».

«Seid einfach Alphamann»

Der Influencer habe eine einfache Botschaft, so Theunert: «Macht euch keine Gedanken, lasst euch keinen Scheiss einreden, seid einfach Alphamann. Da stehen am Ende auch die Frauen drauf.»

Viele Jungen hätten auch zu wenig reale Vorbilder: In Kitas und Grundschulen gebe es zu wenig männliche Pädagogen, bemängelt Theunert. Also orientierten sich Jungs an virtuellen Helden, die oftmals Alphamänner darstellten.

Der studierte Psychologe und Soziologe zitiert eine Analyse von Figuren aus Videospielen: «Acht von zehn inszenieren Alphamännlichkeit. Frauen wurden – wenn sie vorkamen – fünfmal so oft in irgendeiner Form von Nacktheit gezeigt.»

Andrew Tate
Andrew Tate und seinem Bruder Tristan werden Menschenhandel und Vergewaltigung vorgeworfen. Ihre Anhänger halten dennoch zu ihnen. - keystone

Bei Videospielen verstünden Knaben aber früh, dass es nicht die Realität sei. Tate jedoch sei keine Fiktion, sondern real. «Deswegen bin ich nicht so sicher, ob Jungen sagen können, was nur inszeniert ist.»

Und deshalb erhalte er immer wieder Anfragen von Schulen zu Jungs, die Tate-Videos zeigten. «Sie setzen sie dann auch tatsächlich um», sagt Theunert. «Also zum Beispiel Mädchen als Bitch ansprechen, als Schlampe.»

Was sollte Buben in erster Linie vermittelt werden?

Er wolle das aber nicht dramatisieren, relativiert Theunert, es würden längst nicht alle Jungs von Andrew Tate erreicht. Zudem befänden sich 13- und 14-Jährige in einer Entwicklungs- und Orientierungsphase. Für einige Knaben sei Tate wie eine Art Mantel, den sie mal anprobieren. Andere wollten damit nur die Eltern provozieren.

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