#metoo hat eine Artikel-Lawine ausgelöst. Doch wie sieht die Situation eigentlich in jener Branche, die für Betroffene zum Pranger wurde, selber aus?
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Die #Metoo-Debatte brachte rund um den Globus Sexismus und sexuelle Übergriffe zu Tage – und Menschen zu Kundgebungen auf die Strasse. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Kaum ein Medium, das nicht über #metoo berichtet hat.
  • Doch haben die Medien sich selber genügend kritisch betrachtet?
  • Eine Reporterin des «Tagesanzeiger» geht dem Sexismus in der eigenen Branche nach.

#metoo war das Schweizer Wort des Jahres 2017. Kein Wunder: Der Hashtag, der sexuellen Missbrauch durch einflussreiche Menschen – meist Männer – auf den Tisch brachte, war nur allzu bald in aller Mund.

Kein Schweizer Medium, das nicht über Harvey Weinstein, Kevin Spacey, Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern oder aber die neuen Sorgen der Männer – «ja darf man jetzt nicht einmal mehr flirten» – berichtete.

#metoo, soweit das Auge reicht. Doch eine Branche, scheint es, haben die Medien grosszügig übergangen: Sich selber.

Der Chefredaktor als «Tööpli»

Zwar druckte die Tagesanzeiger-Journalistin Michèle Binswanger zu Weihnachten 2017 ein offenes Geheimnis: 28 Ex-Mitarbeiterinnen, Vorgesetzte und Bekannte stellten den ehemaligen Blick-Chef und aktuellen SI-Co-Chefredaktor Werner De Schepper an den Pranger.

Werner De Schepper.
Werner De Schepper. - Keystone

Ein «Tööpli» sei der studierte Theologe, sagten die einen. Andere bezeichneten sein Verhalten als «absolut widerlich». Viele hatten bei ihm stets ein «mulmiges Gefühl» und vermieden angestrengt, mit De Schepper alleine zu sein.

Happige Vorwürfe – die ohne Konsequenzen blieben. Kaum ein Schweizer Medium, das eine Woche später noch über Werner De Schepper berichtete.

Tamedia will’s wissen

Jetzt aber kontrolliert der «Tagesanzeiger» die eigenen Reihen. Heute früh fanden zahlreiche Journalistinnen und Journalisten die Einladung zu einer Umfrage im virtuellen Briefkasten. Titel: #me(dia)too.

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Reporterin Simone Rau bat ihre Kolleginnen und Kollegen, über Sexismus in der Medienlandschaft Schweiz zu sprechen. Anonym. - Screenshot #me(dia)too

Simone Rau, Reporterin beim Recherchedesk Tamedia und ihr Kollege, Mathias Born, Datenjournalist ebenda, wollen von ihren Kollegen wissen: «Haben Sie in Ihrem Berufsalltag irgendwann einmal Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Sexismus gemacht? Passierte es im Büro? Bei einem Interview? Welche Folgen hatte der Vorfall?»

Journalisten wollen reden

An etwa 3000 Berufskolleginnen und -kollegen hat Rau ihre Umfrage geschickt. Fast 400 von ihnen haben die Fragen innerhalb der ersten 24 Stunden beantwortet. «Zudem haben sich einige bei mir gemeldet, die ihre Geschichte lieber bei einem Kaffee unter vier Augen erzählen möchten», sagt Rau.

Sie erhofft sich von ihrer Umfrage aber nicht in erster Linie Einzelschicksale, «sondern einen Überblick darüber, wie gravierend das Problem der sexuellen Belästigung und des Sexismus in der Schweizer Medienbranche ist».

Ist Sexismus für Journalistinnen und Journalisten auch neben ihrem Schreibtisch ein Thema? Sind sie selber Opfer derselben Strukturen, die sie in ihren Artikeln thematisieren?

Medienschaffende, die an der Umfrage teilnehmen möchten, können das unter diesem Link tun.

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