Die Stadt will die urbane Produktion zurück nach Zürich holen. Auch, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Was fehlt, sind geeignete Flächen.
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Die SBB Werkstätten wurden 2018 zur «Werkstadt» umfunktioniert. - Tsüri.ch / Isabel Brun

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Vergangenheit verliessen viele produzierende Gewerbe die Stadt Zürich.
  • Die Initiative «Made in Zürich» will diesen Trend umkehren.
  • Sie unterstützt lokale Gewerbetreibende dabei, sich zu etablieren.
  • Bei der Stadt ist man gegenüber dieser Idee nicht abgeneigt.
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Noch werden auf dem Schlachthof-Areal Tiere getötet. Damit ist ab 2030 Schluss – nach über Hundert Jahren. Die Stadt will die denkmalgeschützten Backsteingebäude anderweitig nutzen und das Gebiet öffentlich zugänglich machen. Unter anderem soll sich das lokale Gewerbe ansiedeln: Handwerker:innen oder Unternehmen, die Produkte für die Stadtbevölkerung herstellen.

Das Areal an der Grenze zu Altstetten ist eines der letzten seiner Art in Zürich. Industrie- und Gewerbeflächen sind rar – aktuell beschränken sie sich auf fünf Prozent des Stadtgebiets. Zu wenig, findet Andrea Gir, Co-Geschäftsleiterin von «Made in Zürich». Die Initiative unterstützt lokale Produzent:innen und Gewerbetreibende dabei, sich zu etablieren.

Urbane Produktion sei nicht nur wichtig für eine diverse Wirtschaft und lebendige Stadt, sondern sei auch ökologisch sinnvoll, so Gir: «Wenn man als Konsument:in weiss, dass etwas in der Nachbarschaft produziert wird, entsteht ein emotionaler Bezug. Man identifiziert sich mit einem Produkt und ist daher auch eher dazu bereit, mehr zu bezahlen oder etwas reparieren zu lassen.» Kreislaufwirtschaft, Made in Zürich.

Von der Industrie- zur Bankenstadt

Entstanden ist «Made in Zürich» im Jahr 2018, als Taschenproduzent Freitag und Immobilienentwickler Senn nach Lösungen suchten, um die Bedingungen für das produzierende Gewerbe in Zürich zu verbessern.

Bei der Stadt stiess man dabei auf grosses Interesse, denn diese hatte bereits ein Jahr zuvor urbane Werkplätze zu einem ihrer Strategie-Schwerpunkte ernannt. Mittlerweile zählt die Initiative 160 Mitglieder – darunter auch bekannte Marken wie die Kaffeerösterei Vicafé oder der Seifenhersteller Soeder.

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Andrea Gir leitet zusammen mit Thomas Eberle den Verein «Made in Zürich». - zVg / Tsüri.ch

Letzteres wurde in Zürich schon einmal im grossen Stil produziert. Unweit des Escherwyss-Platzes im Kreis 5 liegt das Steinfels-Areal. Von 1880 bis in die 1980er stand dort eine Seifenfabrik, heute befinden sich im Gebäudekomplex das Kino Cinemax sowie Loft-Wohnungen. Die Produktionsstätte von Steinfels wurde nach Dietlikon verlagert.

Das sei eine typische Entwicklung, weiss der Stadtforscher Christian Schmid: «Ende des 20. Jahrhunderts, als die Bodenpreise in Zürich stark anstiegen, zogen viele Unternehmen in die Agglomeration.» Stattdessen kamen Banken und Versicherungen: Zürich wurde von der Industrie- zur Head-Quarter-Stadt.

Der Soziologe steht dem Wandel skeptisch gegenüber. «Es gibt Dienstleistungen, die auf kurze Distanzen angewiesen sind und wo es keinen Sinn macht, dass ihr Standort ausserhalb der Stadt ist.» Er nennt Handwerksbetriebe wie Schreinereien oder Ateliers zur Schuh- oder Möbelproduktion als Beispiele.

«Kreislaufwirtschaft ist auf kurze Wege angewiesen» – Anna Schindler, Direktorin Stadtentwicklung

Zur Industriestadt von 1880 müsse man nicht zurück, betont Schmid. Autos oder Lokomotiven sollen nach wie vor hinter den Stadtgrenzen zusammengebaut werden, doch Handwerksbetriebe und das Kleingewerbe seien wichtig, damit die Stadt attraktiv bleibe. Von Zürich, für Zürich lautet das Motto.

Kaffeemaschinen statt Lokomotiven

In den ehemaligen SBB-Werkstätten «Werkstadt» in Altstetten wird das bereits gelebt. Seit 2018 transformiert die SBB zusammen mit der Stadt das Gelände im Kreis 9 zwischen Hohlstrasse und Bahngleise zu einer urbanen Produktionsstätte. Früher wurden auf dem 43'000 Quadratmeter grossen Grundstück Lokomotiven repariert und Rollmaterial gelagert.

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Hinter den alten Backsteinmauern befinden sich heute auch Start-ups. - Tsüri.ch / Isabel Brun

Mittlerweile haben sich knapp 40 Unternehmen eingemietet. Die einen stellen Kaffeemaschinen her, andere vertreiben Getränke oder reparieren Rucksäcke. Das Interesse an solchen Räumen sei gross, sagt Andrea Gir von «Made in Zürich»: «Durch die räumliche Nähe ist es einfacher, Wissen zu teilen oder Synergien zu nutzen.»

Dies sei ein wichtiges Argument dafür gewesen, um urbane Produktion stärker zu fördern: «Kreislaufwirtschaft ist auf kurze Wege angewiesen», sagt Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung. Doch auch für Zürich als Wirtschaftsstandort seien Orte wie die «Werkstadt» oder das Schlachthof-Areal 2.0 in Altstetten wichtig. «Je diverser unsere Wirtschaft, desto stabiler ist sie.»

Es erstaunt also nicht, dass die Idee, urbanen Werkstätten mehr Relevanz zuzusprechen, nicht nur bei Stadtplaner:innen und Soziolog:innen, sondern auch in wirtschaftsnahen Kreisen gut ankommt.

«Wir können nicht nur wohnen»

Lösen lässt sich das Platzproblem jedoch nicht so leicht. Laut Schindler versucht die Stadt hauptsächlich, die bestehenden Industrie- und Gewerbeflächen zu erhalten. «Fördern» bedeutet in diesem Fall «erhalten». Dass Wohnzonen umgenutzt werden, sei angesichts der angespannten Lage auf dem Markt unwahrscheinlich.

Deshalb brauche es neue, kreative Wege, um urbane Produktion zurück nach Zürich zu bringen. «Früher gab es in jedem Quartier einen Schuhmacher, eine Bäckerei, eine Näherin. In den Hinterhöfen der Blockrandbauten waren Handwerksbetriebe eingemietet. Solche Nutzungen in den Quartieren wären wieder wünschenswert – wir können nicht nur wohnen», so Schindler.

Findest du, dass es in der Stadt Zürich zu wenig produzierendes Gewerbe gibt?

In eine ähnliche Richtung gehen die Pläne des Immobilienunternehmens Senn und den Genossenschaften Kraftwerk 1 und ABZ auf dem ehemaligen Koch-Areal. Im «Koch-Quartier» soll künftig nicht nur gewohnt, sondern auch produziert und repariert werden. Ab 2026 sind sowohl das Gewerbehaus «MACH» als auch die Wohnungen bezugsbereit.

Beim Schlachthof muss man sich noch gedulden. Erst im Jahr 2035 werden Unternehmen in die Hallen einziehen können.

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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autorin Isabel Brun ist Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.

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