Immer mehr Studenten erkaufen sich Uni-Arbeiten
Seit Jahren sind sie den Hochschulen ein Dorn im Auge: Agenturen, die Studierenden ihre Arbeiten schreiben. Doch die Angebote werden sogar immer gefragter.

Das Wichtigste in Kürze
- Ab 102 Franken pro Seite schreibt eine Agentur Studierenden ihre Arbeiten.
- Das Angebot wird beliebter – laut einem Anbieter, weil der Studiums-Stress gewachsen ist.
- Die Trickserei ist seit Jahren bekannt, doch sie zu bekämpfen, bleibt schwierig.
Entspannt in den Ferien die Seele baumeln lassen, während sich die mühsamen Arbeiten fürs Studium einfach von alleine schreiben?
Eigentlich undenkbar. Denn es ist bekannt: Abschreiben oder fremdschreiben lassen ist bei Bachelor-, Master- oder Doktorarbeiten strengstens verboten.
Doch das hält Studierende zunehmend nicht mehr davon ab, Teile oder gar ihre ganze Arbeit zu delegieren.
Allerdings nicht, um stattdessen Ferien zu machen, betont Marcel Kopper. Er ist Geschäftsführer der Schweizer Agentur GWriters, die akademisches Ghostwriting anbietet.
Akademisches Ghostwriting bedeutet: Profis schreiben Studierenden die Arbeit gegen Bezahlung.
Kopper sagt zu Nau.ch: «Die Nachfrage in der Schweiz hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Das liegt weniger daran, dass die Hemmschwelle gesunken wäre, sondern vielmehr an den neuen Rahmenbedingungen im Studium.»
Reiche Söhnchen und gestresste Berufstätige: Wer sich Arbeiten erkauft
Konkret: Heute würden viele Studierende «unter erheblichem Zeitdruck durch Berufstätigkeit oder familiäre Verpflichtungen» stehen.
Ein weiterer neuer Faktor, der laut Kopper viele Studentinnen und Studenten verunsichert, sei das Aufkommen von KI.
«Künstliche Intelligenz kann nicht auf Fachliteratur hinter Bezahlschranken zugreifen. Sie halluziniert teilweise Inhalte oder verwechselt Quellen.» Genau das sei im akademischen Kontext problematisch.
«Wir merken deshalb eine steigende Nachfrage nach professioneller Unterstützung in Form von wissenschaftlich fundierten Mustervorlagen.»

Diese Vorlagen sollen sicherstellen, dass Standards eingehalten werden und die Qualität der Quellen auch in Zeiten von KI gewährleistet bleibt.
Kopper räumt aber auch ein, dass nicht alle Kundinnen und Kunden Arbeiten aus KI-Stress oder Zeitmangel wegen Jobs fremdschreiben lassen.
«Natürlich gibt es Studierende aus wohlhabenderen Familien», sagt er. «Aber die Mehrheit finanziert die Unterstützung selbst, oftmals durch Nebenjobs oder zusätzliche Arbeit.»
Besonders häufig würde GWriters berufstätige Studierende sowie internationale Studierende, die zusätzliche sprachliche Unterstützung benötigten, betreuen.
«Gerecht ist es nicht. Aber legal»
Die Agentur ist längst nicht der einzige Anbieter für akademisches Ghostwriting in der Schweiz. Inzwischen gibt es rund ein halbes Dutzend solcher Agenturen.
Eine der ältesten ist die Firma Acad Write. Sie spricht Studierende gezielt dort an, wo sich junge Menschen gerne tummeln – auf Instagram.
«Gerecht ist es nicht. Aber legal», wirbt sie frech.

Ab 102 Franken pro Seite verspricht die Firma Studierenden, ihnen das Recherchieren und Schreiben abzunehmen.
Tausende von Franken kann das dann kosten. Der Rechner auf der Webseite der Agentur, der Studierenden eine Preis-Idee geben soll, zeigt: umfangreiche Arbeiten auf hohem Niveau können bis zu 15'400 Euro (rund 14'450 Franken) kosten.
Eine Anfrage von Nau.ch beantwortet die Agentur nicht.

GWriters weist auf seiner Webseite sogar – je nach Arbeit – Honorare von umgerechnet rund 75'000 Franken aus.
Noch nie jemand verurteilt
Doch wie sieht das Ganze rechtlich aus? Die Unis verbieten die Praxis schliesslich klar – doch die Ghostwriter selbst pochen darauf, ihr Angebot sei legal.
Rechtsexperte Christian Lenz von der Kanzlei Lenz & Caduff erklärt gegenüber Nau.ch: «In der Schweiz ist die Rechtslage hinsichtlich Ghostwriting für akademische Arbeiten bislang nicht gerichtlich geklärt. Mir sind keine Urteile bekannt, die Ghostwriting als strafbar qualifiziert haben.»
Und das, obwohl Firmen wie Acad Write ihre Dienste schon seit gut 20 Jahren anbieten. Und schon vor Jahren erstmals beklagt wurde, dass Ghostwriting unter Studierenden beliebter wird.
Aus strafrechtlicher Sicht könnte für die Studierenden allenfalls ein Urkundendelikt in Betracht kommen, erklärt Lenz.
«Da die Hürden dafür jedoch eher hoch sind, dürften die entsprechenden Straftatbestände in der Regel nicht erfüllt sein.»

Die Ghostwriter-Agenturen sichern sich zudem zusätzlich ab: Acad Write beispielsweise weist ihre Kundschaft ausdrücklich darauf hin, dass gekaufte Ghostwriting-Resultate nicht für akademische Arbeiten eingereicht werden dürfen.
Die Werbung – «Gerecht ist es nicht. Aber legal» – findet Lenz darum zwar «sehr mutig, aber aus meiner Sicht rechtlich nicht angreifbar».
Heisst also tatsächlich: Was die Ghostwriter versprechen, stimmt.
Uni-Rauswurf droht
Nur: Dass bislang kein einziger Student, keine Studentin deswegen verurteilt wurde, macht die Machenschaften nicht weniger verboten.
Rechtsexperte Lenz erinnert an die Eigenständigkeitserklärungen, die Studierende unterzeichnen müssen. «Darin bestätigen sie, dass die Arbeit von ihnen geschrieben wurde.»

Verstossen sie dagegen – eben beispielsweise, indem sie eine Arbeit einreichen, die ein Ghostwriter verfasst hat – drohen Konsequenzen.
«In erster Linie sind das disziplinarrechtliche Massnahmen. An der Universität Zürich reichen diese von einem schriftlichen Verweis bis hin zum Ausschluss von der Universität.»
Studis soll genauer auf die Finger geschaut werden
Zusammengefasst: Bachelor-Abschlüsse oder gar Doktortitel für Leistungen, die man nicht selbst erbracht hat, sind trotz Verbot möglich.
Kein Wunder, sind die Angebote der Ghostwriter-Agenturen den Schweizer Hochschulen ein Dorn im Auge.
Schon länger bekämpfen sie Plagiate und Ghostwriting. Doch ob jemand seine Arbeit von einem Profi hat schreiben lassen, lässt sich schwerer prüfen, als ob jemand abgeschrieben hat.
Um der Trickserei künftig besser Herr zu werden, wird darum ab 2026 eine neue Organisation ins Leben gerufen: Das sogenannte Kompetenzzentrum für wissenschaftliche Integrität Schweiz.
Es soll die Hochschulen zum Thema wissenschaftliche Integrität beraten – also in Sachen Korrektheit und Ehrlichkeit. Zudem ist geplant, dass es Daten zur wissenschaftlichen Integrität in der Schweiz erhebt.