Ein Doktorand der Universität St. Gallen kritisiert auf Twitter die chinesische Regierung. Prompt wird ihm die Chance auf einen Doktortitel zunichtegemacht.
Spesenaffäre
Die Universität St. Gallen. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Schweizer Doktorand kritisiert auf Twitter die chinesische Regierung scharf.
  • Prompt wird die Zusammenarbeit mit der Uni St. Gallen gekappt.
  • Seine Betreuerin begründet dies mit «Beschwerden aus China».

Es ist eine Geschichte wie aus einem Überwachungsthriller à la George Orwell: Ein Schweizer Doktorand, der an der Universität St. Gallen (HSG) seinen Doktortitel machen wollte und an einer Universität in Wuhan forschte, wird eben dieser Titel aufgrund von Tweets unmöglich gemacht.

Seit 2018 forscht der Schweizer in Wuhan zum Thema Umweltverschmutzung. Schon früh wird er von einem chinesischen Professor kritisiert: Sein Thema sei zu regierungskritisch. Doch der Doktorand lässt sich von der Aussage nicht beirren.

Ein Tweet sorgt für Doktortitel-Aus

«Sehr dringend: Beschwerde aus China wegen Ihrem Twitter». Mit dieser E-Mail seiner Betreuerin der HSG habe alles angefangen, schilderte der Doktorand die Geschichte der «NZZ».

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Die HSG kappt das Verhältnis zum Doktoranden. - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Er verbreite «Neonazi-ähnliche Inhalte» auf Twitter, habe in der Mail gestanden, die die Betreuerin erhalten habe. Damit gemeint ist eine Karikatur, welche die chinesische Regierung scharf kritisiert. Es ist nicht der einzige China-kritische Post, den der Doktorand auf seinem Account veröffentlicht hatte.

Betreuerin kappt Verhältnis zu Doktorand

Auf seine Nachfragen, von wem sie die Beschwerden erhalten habe, erhält er keine Antwort. Stattdessen wird die Zusammenarbeit zwischen Betreuerin und Doktorand vonseiten der HSG-Angestellten abrupt beendet. Kurz darauf ist auch sein HSG-Account weg.

«Es fühlte sich an, als sei ich über Nacht eliminiert worden», sagt der Doktorand zur Zeitung. Er wirft der HSG vor, ihn wegen seiner kritischen Tweets hinausgeworfen zu haben. Gegenüber der «NZZ» vertritt die HSG einen anderen Standpunkt: Der junge Mann habe selbst entschieden, nicht mehr an der Hochschule zu studieren.

HSG will Doktorand nicht mehr studieren lassen

Im Nachhinein stellt sich heraus: Böse E-Mails aus China gab es so nicht. Die Kritik, welche die Betreuerin erhielt, kam von einem chinesischen Studenten aus Kanada. Trotzdem hält die HSG daran fest, den Doktoranden nicht mehr an der Schule studieren zu lassen.

Finden Sie die Reaktion der HSG angemessen?

Denn: Er habe sich längst selbst exmatrikuliert, dies im Jahr 2019. Dies stimme so, gesteht der junge Mann ein. Dazu habe ihm der Manager der Doktoratsprogramme an der HSG geraten. Er schrieb ihm per E-Mail, so könne die Maximaldauer für den Abschluss nicht auslaufen, während er der Doktorand in China sei.

Im Frühsommer 2020 gab der Doktorand schliesslich die juristischen Bemühungen auf, die er angesichts der schwierigen Situation aufgenommen hatte. Für ihn gehen mit der Affäre über drei Jahre Forschungsarbeit flöten. Das mache ihn immer noch fassungslos, sagt er.

Das Doktorat hat er aufgegeben. Er wolle sich nicht zensieren müssen.

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