Jahr um Jahr das gleiche Spiel: Die Gesundheitskosten steigen unaufhaltsam in die Höhe. Hausärzte wollen dagegen vorgehen.
Wann ist ein Besuch auf der Notfallstation nicht nötig? Philippe Luchsinger, Vorstandsmitglied beim Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen Schweiz, gibt Auskunft. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Hausärzte haben sich ein Rezept gegen das Kostenwachstum im Gesundheitswesen überlegt.
  • Das Problem liege darin, dass die Patienten direkt auf den Notfall gehen.

Den steigenden Kosten im Gesundheitswesen soll endlich ein Riegel geschoben werden. Dazu haben die verschiedenen betroffenen Berufsgruppen unterschiedliche Lösungsansätze: Das Tarifsystem Tarmed regelt, wieviel die Krankenkassen den Ärzten und Chirurgen für eine bestimmte Behandlung oder Operation bezahlen müssen. Weil die Kassen- und Ärzteverbände sich nicht hatten einigen können, hat Bundesrat Alain Berset hier ein vorübergehendes Machtwort im Sinne der Krankenkassen gesprochen.

Billige Medikamente, weniger Ärzte

Der Gesundheitsminister hat aber noch einen zweiten Sparplan: Jeder Kanton soll eine Höchstzahl an Ärzten festlegen, die ihre Leistungen überhaupt via Krankenkasse abrechnen dürfen.

Auch Bersets Kollegin Leuthard und ihre CVP haben eine Volksinitiative im Köcher: Medikamente und medizinisches Zubehör sollen günstiger werden. Leuthard habe nämlich selber festgestellt, dass das gleiche Medikament auf der anderen Seite der Grenze nur noch einen Bruchteil koste, erklärte sie gegenüber Nau.

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Notfallwegweiser bei einem Schweizer Spital (Symbolbild). Mittlerweile sind wieder mehr Patienten mit Coronavirus in den Spitälern. - Keystone

Hausarztmodell als Sparplan?

Nun haben sich auch die Hausärzte ein «Rezept gegen das Kostenwachstum im Gesundheitswesen» überlegt. Das Problem sehen die Hausärzte in der Zentralisierung und Spezifizierung der Medizin. Statt zum Hausarzt, gehen die Patienten direkt auf den Notfall.

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Philippe Luchsinger, Vorstandsmitglied beim Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen Schweiz. - Nau.ch

«Ein Notfall im Spital kostet aber schnell bis zu 450 Franken. In der Hausarztpraxis sind es maximal 150. Zudem wartet ein Patient im Krankenhaus durchschnittlich vier Stunden auf die Abklärung, wird von mehreren Ärzten und an verschiedenen Orten im Krankenhaus untersucht. Beim Hausarzt beträgt die durchschnittliche Wartezeit eine Stunde», sagt Philippe Luchsinger, Vorstandsmitglied beim Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen Schweiz zu Nau. Notfallstationen seien darum so viel teurer, weil sie immer und für alle Fälle bereit sein müssen. Also eine viel grössere Infrastruktur haben, als eine Hausarztpraxis. «Aber von 1000 Erwachsenen mit einem Gesundheitsproblem muss nur einer tatsächlich in ein Unispital eingewiesen werden», erklärt Luchsingers Kollege François Héritier.

Der Hausarzt – ein Umweg?

Auf die Frage, ob der Weg zum Hausarzt nicht oft ein Umweg sei, antwortet Luchsinger mit einer Gegenfrage: «Wohin gehen Sie mit Schmerzen auf der Brust? Zum Kardiologen, Rheumatologen, Pneumologen, Radiologen, Gastroenterologen, Angiologen oder vielleicht doch zum Psychiater?» Der Hausarzt wisse nicht nur, an welchen Spezialisten er seinen Patienten weiterleiten müsse. «94.3 Prozent aller Probleme kann der Hausarzt selbstständig und abschliessend behandeln».

Hausärzte wollen wieder unangefochtene Grundpfeiler im Schweizer Gesundheitssystem werden. Das wäre nicht nur für den Patienten, sondern vor allem für den Staat günstiger. Länder, in denen das bereits der Fall ist, haben durchschnittlich geringere Gesundheitskosten. So liegen die pro Kopf Ausgaben in Australien, Dänemark oder Schweden etwa bei jährlich 5000 Franken. In der Schweiz dagegen bei 8000.

Attraktiver werden für Junge

Damit ein Hausarztmodell aber funktioniert, braucht es Nachwuchs. «Der Hausarzt-Beruf muss auch für Junge wieder attraktiver werden», bestätigt Luchsinger. Einerseits, in dem Teilzeit-Jobs und damit eine gesündere Work-Life-Balance möglich werden. Andererseits, indem Medizinstudenten bereits im Studium Einblick in die Arbeit als Allgemeinmediziner erhalten. «In dem sie während dem Wahlstudienjahr eine gewisse Zeit obligatorisch in einer Hausarztpraxis verbringen», so Héritier.

In Kantonen wie Bern, Genf oder der Waadt ist das bereits so geregelt, angehende Ärzte aus Basel und vielen anderen Kantonen hingegen haben diese Pflicht nicht. Dort müsse man stärker werden, sind sich die Hausärzte einig.

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