Das erste Post-Lockdown Party-Wochenende zeigt, wie weit das hiesige Nachtleben noch von der Normalität entfernt ist. Polizei wie Clubs fordern neue Lösungen.
Riesiger Trubel am Samstagabend an der Langstrasse in Zürich. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die ersten Partys Post-Lockdown werfen Fragen zur unmittelbaren Zukunft der Branche auf.
  • Der Status Quo schaffe nur Verlierer, glauben Branchenvertreter.
  • Clubbetreiber fühlen sich und ihre Anliegen vom Bund ignoriert.

Endlich wieder Party! Vergangenes Wochenende durften sich Nachtschwärmer wie Feierwütige wieder ins Schweizer Nachtleben stürzen. Jedenfalls bis um 24 Uhr. Dann wurden sie wegen der Sperrstunde plötzlich auf die verregnete Strasse hinaus bugsiert.

Bern party
Samstag nach 24 Uhr in Bern: Das Partyvolk hat noch keine Lust, nach Hause zu gehen. - Leser

Unsanft in dieser Realität angekommen, empfingen einen in Basel, Bern und Zürich hunderte Leidensgenossen auf der Strasse. Videos vom Wochenende zeigen, wie beispielsweise das Zürcher Partyvolk Punkt Mitternacht die Langstrasse füllt. Und zwar laut, angetrunken und ganz sicher nicht Corona-konform.

Vorhersehbare Probleme

Das nervt Max Reichen von Pro-Nachtleben Bern gewaltig. Vor allem, weil Clubbetreiber schon im Voraus vor genau diesem Szenario gewarnt hatten.

«Drinnen setzen wir ein aufwändiges Schutzkonzept um. Doch dann müssen um Mitternacht alle raus. Dort gibt es kein Schutzkonzept. Es ist illusorisch zu glauben, dass diese Leute, die wir alle auf einen Schlag auf die Strasse gestellt haben, dann sofort heimgehen.»

Max Reichen
Max Reichen vom Verein Pro Nachtleben Bern: «Die Sperrstunde muss weg!» - Facebook

Stattdessen werde einfach auf der Strasse oder auf öffentlichen Plätzen weitergefeiert.

«Die Polizeistunde funktioniert in den Städten nicht», ist auch Alexander Bücheli von der Zürcher Bar- und Klubkommission überzeugt. «Auch für die Polizei bedeutet die aktuelle Situation einen beträchtlichen Mehraufwand. Die Intention der Politik müsste doch eigentlich sein, dass wenn die Leute schon trinken, dann sollen sie dies in einem geschützten Rahmen machen und nicht einfach in der Öffentlichkeit.»

Schweiz in Feierlaune

Dieser Rahmen sei auch ein Bedürfnis. Vorverkaufstickets waren schweizweit innert Minuten ausverkauft. «Die Leute hatten spürbar Freude, viele sind schon am Nachmittag angestanden», so Reichen.

«Jede und jeder der am Samstag mitbekommen hat, welche Emotionen bei den Gästen, DJ und Personal spürbar waren, weiss, wie wichtig das Nachtleben für unsere Gesellschaft ist», doppelt Bücheli nach.

Die erste Euphorie soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund der Rahmenbedingungen noch nicht von einer Wiedereröffnung des Nachtlebens gesprochen werden kann, sagt Bücheli. «Es handelt sich eher um ein gemeinsames gegenseitiges Antasten an die neue Partyrealität».

Keine Kommunikation mit dem Bund

Reichen wie Bücheli glauben, dass das Schweizer Nachtleben zu wenig sichtbar sei in Bundesbern. Beide wünschen sich einen runden Tisch mit den Behörden. «Der Bund redet aber nicht mit uns, es ist nicht zielführend», so Reichen.

Berset Coronavirus
Gesundheitsminister Alain Berset ruft auf Twitter regelmässig dazu auf, sich impfen zu lassen. - Keystone

«Die Gesundheit der Gesellschaft muss im Mittelpunkt stehen, wir sehen den Sinn und Zweck einer etappenweisen Öffnung, um Covid-19 weiterhin in Schach zu halten», gibt sich Bücheli einsichtig. «Deshalb wäre es nun falsch, alles aufs Mal zu fordern, wir waren schon vom jetzigen Tempo überrascht.»

Oberste Priorität hat für die beiden die Abschaffung der Sperrstunde. Ausserdem sei es voraussehbar, dass selbst bei einer kompletten Öffnung die Nachtkultur noch lange wirtschaftlich mit den Covid-19 Massnahmen zu kämpfen haben werde. «Die wirtschaftlichen Schutzmassnahmen dürfen nicht einfach stoppen, nur weil wieder offen ist», sagt Reichen.

Denn finanziell würden mit dem Status Quo bestenfalls die Kosten gedeckt. «Besonders wichtig wäre darum eine Weiterführung der Kurzarbeit für die Gesellschafter. Der Entscheid des SECO, diese Sonderregelung per 1. Juni einzustellen, trifft das Nachtleben, den ganzen Kultursektor besonders hart», so Bücheli.

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