Freikirche soll schon 12-Jährige auf Strasse anwerben
Eine Freikirche wirbt in der Schweiz schon Zwölfjährige an. Eltern sind besorgt, viele Jugendliche verlassen die Gemeinschaft aber nach kurzer Zeit wieder.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Freikirche wirbt in der Schweiz Jugendliche unter 15 Jahren an.
- Bis zum 16. Lebensjahr bestimmen die Eltern, welcher Gemeinschaft Kinder angehören.
- Ein Pastor betont die Freiwilligkeit, schiebt die Verantwortung aber den Eltern ab.
Die Freikirche Mustard Seed Chapel International wächst in der Schweiz. Doch gleichzeitig mit der Mitgliederanzahl steigen auch die Meldungen besorgter Personen bei der Beratungsstelle Relinfo. Denn die Freikirche soll offensiv auch bei Jugendlichen werben. Darüber berichtet die «Aargauer Zeitung».
Georg Schmid, Leiter der Beratungsstelle für Religion und Sekten, erklärt, wie die Freikirche erfolgreich wirbt: partyartige Gottesdienste mit moderner Musik, ein hohes Gemeinschaftsgefühl und Werbung von Mitgliedern in den sozialen Medien. Doch auch auf den Strassen oder gar vor den Türen anderer Kirchen würden teils sehr junge Jugendliche angesprochen. So hätten sich Eltern von 12-Jährigen bei Relinfo gemeldet.
Dabei entscheiden bei Kindern unter 15 Jahren die Eltern, welcher religiösen Gemeinschaft sie angehören. Und die Eltern können dem Nachwuchs verbieten, die Gottesdienste einer bestimmten Kirche zu besuchen. Der Pastor müsste sie dann wegschicken, sagt Schmid. «Das geschieht aber oft nicht.»
Reverend Divine, Pastor von Mustard Seed Chapel International in Wallisellen ZH, sagt, niemand nehme gegen den Willen der Eltern teil. Es habe schon Gespräche mit Eltern gegeben, man habe sie dann zu einem Gottesdienst eingeladen. Er sagt aber auch: «Wenn die Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder zu uns kommen, dann liegt das in ihrer Verantwortung.»
Laut Schmid von Relinfo rieten religiöse Gemeinschaften den Kindern aber oft, den Eltern nicht genau zu sagen, wo sie hingingen. Dadurch sei es schwierig, herauszuhören, dass sie eine Freikirche besuchten.
Mustard Seed Chapel International gehört der ursprünglich ghanaischen Pfingstgemeinde Lighthouse Group of Churches an. Das Ziel des Gründers ist es, Europa rückzumissionieren und vor der «Entchristlichung» zu retten.
Reverend Divine sagt, das Ziel der Kirche sei es, Seelen für Jesus zu gewinnen. «Egal ob 14, 16 oder 60 – jeder kann zu Gott finden.» Seine Kirche wolle jungen Menschen Orientierung bieten, sie sollten so «auf Gottes Weg gehen» und «zum Licht finden».
Strenge Auflage für Mitglieder
Kritisiert werden die strengen Auflagen der Freikirche für die Mitglieder. Schmid erzählt von Kleidervorschriften, Anwesenheit bei Gottesdiensten und missionarischen Einsätzen. Hinzu kommen Spenden, zu denen die Jugendlichen aufgefordert würden. Der Twint-Beleg oder das Bargeld solle dabei beim Gottesdienst in die Luft gehalten werden.
Reverend Divine dementiert, dass irgendjemand zu Spenden oder zur Teilnahme an Gottesdiensten gezwungen werden. Er betont: «Alles ist freiwillig.»
Doch der Druck auf die Mitglieder der Mustard Seed Chapel International ist gross. Viele Jugendliche verlassen die Freikirche nach kurzer Zeit wieder.