Im Museum Rietberg in Zürich gibt es noch bis anfangs Juni die Ausstellung «The Future is Blinking» zum Thema der west- und zentralafrikanischen Fotografie.
Mit ihrem «Porträt für den zukünftigen Ehemann» zeigt sich eine junge Frau selbstbewusst als künftige Mutter (Ghana um 1910).
Mit ihrem «Porträt für den zukünftigen Ehemann» zeigt sich eine junge Frau selbstbewusst als künftige Mutter (Ghana um 1910). - sda - Handout: Museum Rietberg/The Future is Blinking

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Museum Rietberg zeigt bis am 3. Juli eine Sammlung von afrikanischen Fotografien.
  • Dabei soll der Blick von örtlichen Fotografen wiedergegeben werden.
  • Die Ausstellung dauert noch bis am 3. Juli.
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Unter dem Titel «The Future is Blinking» zeigt das Museum Rietberg frühe Fotografie aus West- und Zentralafrika. Dem fremden Blick des Westens setzt die Ausstellung die eigene afrikanische Bilderwelt der Selbstermächtigung entgegen.

Besucherinnen und Besuchern des Zürcher Museums Rietberg zeigen sich Fotografien von Menschen aus dem Zeitraum von 1880 bis 1930.

Bild von örtlichen Fotografen

All diesen Aufnahmen sind gemein, dass sie nicht den Blick der Kolonisatoren auf die ihnen fremde Welt wiedergeben, sondern umgekehrt: das Bild, das örtliche Fotografen von ihrer eigenen Welt gemacht haben. Und mehr noch: Sie zeigen auf den Fotos Menschen, die sich inszeniert haben, um ihr Bild von sich selbst in die Welt zu tragen.

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Die Fotografien wurden auch gerne als Postkarten verwendet. Foto: Ina Fassbender/dpa-tmn - dpa-infocom GmbH

Daher auch der Titel der Ausstellung: «The Future ist Blinking» ist ein Zitat des ghanaischen Fotografen Philip Kwame Apagya. Seiner Ansicht nach ist die wichtigste Aufgabe der Fotografie in Ghana, mit idealisierten Porträts Erinnerungsfotografien für künftige Generationen zu schaffen, wie es im Begleittext zur Ausstellung heisst.

In den vergangenen rund hundert Jahren sind zwar die Namen der abgebildeten Persönlichkeiten verloren gegangen. Aber wer ihrem Blick begegnet, stellt fest, «dass sie bei der Gestaltung der Fotografien das letzte Wort hatten».

Frauen sind sehr präsent

Da ist zum Beispiel die junge Frau, prächtig gekleidet, in der Hand einen Blumenstrauss, das Haar kunstvoll drapiert; mit ernstem Blick über die Schulter schaut sie die Betrachterin, den Betrachter direkt an.

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Eine Kamera. (Symbolbild) - Pixabay

«In der westlichen Geschichtsschreibung kommen afrikanische Frauen nicht vor», sagt die Kuratorin Nanina Guyer im Gespräch mit Keystone-SDA. Doch in der westafrikanischen Fotografie sind Frauen sehr präsent. Ganz gezielt haben sie ihre Schönheit vor der Kamera eingesetzt, um ihre Position in der Gesellschaft auszudrücken.

Dieses sogenannte Initiationsporträt zeigt eine junge Frau nach den Ritualen der Initiation, der körperlichen Gewalt, der Beschneidung. «Danach war der Moment im Fotostudio ihr Triumph», sagt Guyer. «Hier zeigt sie sich selbstbewusst auf der Suche nach einem Ehemann, als heiratsfähige Frau und zukünftige Mutter

Das Lächeln in der Fotografie

Oder das Foto vom abgesetzten Oba (König) von Benin, Ovonramwen Nogbaisi: Nachdem die Briten 1897 das Königreich Benin geplündert und den Palast niedergebrannt hatten, zeigt es den König als Gefangenen, in Ketten und ohne Insignien der Macht.

Der König lächelt. «Dieses Foto war eigentlich als Dokument der Unterwerfung in Auftrag gegeben worden», so Guyer. «Doch ich interpretiere das Bild als Ausdruck des subtilen Widerstands.»

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Der Park des Museum Rietberg. - keystone

Denn Lächeln ist in der Porträtfotografie Westafrikas nicht vorgesehen. Vielmehr gilt der ernste Blick als Pose der Selbstinszenierung für das idealisierte Bild. Und so kann das Lächeln des Königs als Spott und Subversion gedeutet werden.

Diese beiden Beispiele zeigen, was die Kuratorin mit der Ausstellung will: Sie hinterfrage «unser kollektives Bildgedächtnis, das von einem Kontinent in der Krise geprägt ist», so Guyer. Nun biete sich die Möglichkeit «unser Gedächtnis um eine bezaubernde Bilderwelt zu bereichern». Gegliedert ist «The Future is Blinking» nach vier Bereichen.

Orientierung an Bildhauerei

Den Besucherinnen und Besuchern werden zuerst die Fotografen vorgestellt, ihre Praktiken und ihre Netzwerke. Dabei fällt auf, dass sie gerade durch die Kolonialisierung in einem weitverzweigten, globalen Beziehungsgeflecht agierten. «Die Botschaft ist die zeitgleiche globale Geschichte», sagt Guyer.

Dabei haben sich die Fotografen in Afrika an der Bildhauerei orientiert, anders als im Westen, wo die Malerei als Vorlage diente. Zudem zeigt die Vorgehensweise der Fotografen, dass sie sich mit der Fotografie «ein Mittel der Moderne angeeignet haben für ihr eigenes Bild».

Malerei (Symbolbild).
Malerei (Symbolbild). - Keystone

Die weiteren Bereiche der Ausstellung präsentieren etwa die Abgebildeten selbst, welche Rolle sie sich zuschreiben und welche Inszenierung sie dafür wählen. Aufgezeigt werden zudem die lokalen Ursprünge und ihr prägender Charakter.

Und die Ausstellung macht darauf aufmerksam, wofür die Bilder gemacht waren: für die eigene private Sammlung zumeist wohlhabender Auftraggeberinnen und -geber. Sie wollten Fotografien von sich, um ihr Andenken über ihren Tod hinaus sicherzustellen.

Auch zeitgenössische Bezüge

Darüber hinaus haben sich ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Fotografen als «gute Geschäftsleute» erwiesen, so Guyer. Denn zu dieser Zeit begann der Siegeszug der Postkarten. Für die afrikanische Fotografie wurden sie zum Medium, mit dem sie ihre Fotos weltweit zirkulieren lassen konnten.

Es gibt in der Ausstellung auch zeitgenössische Bezüge. Guyer stellt die afrikanischen Wanderfotografen denen aus der Schweiz gegenüber und zeigt damit ein globales Phänomen mit seinen lokalen Eigenheiten.

Und: In der Ausstellung finden sich Fotos des US-amerikanischen Modefotografen Tyler Mitchell. Die US-Vogue veröffentlichte 2018 sein Porträt der Sängerin Beyoncé auf dem Titelbild – und gab damals erstmals einem schwarzen Fotografen diese Plattform. 2021 folgte ebenfalls auf dem Titel der US-Vogue das Porträt der US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Mit diesen Porträts bezieht sich Mitchell ausdrücklich auf die ästhetischen Prinzipien der historischen Studiofotografie Westafrikas.

Ausstellung dauert noch bis am 3. Juli

Die Ausstellung «The Future is Blinking» – Frühe Studiofotografie aus West- und Zentralafrika dauert bis 3. Juli.

Sie basiert auf der 4500 Fotografien umfassenden Sammlung der deutsch-amerikanischen Ethnologin und Fotohistorikerin Christraud M. Geary. Das Museum Rietberg hat die Sammlung 2020 übernommen.

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