Filmfestivals auf der komplizierten Suche nach Geld
Filmfestivals stehen vor einem Dilemma: Die Kosten steigen und die öffentlichen Fördermittel werden knapper.

Kurz vor dem Start des Locarno Film Festivals (am 6. August) hat die Nachrichtenagentur Keystone-SDA nachgefragt – in Locarno, Solothurn und Baden. Vom Animationfilmfestival Fantoche aus Baden kommt eine zunächst überraschende Antwort: «In den letzten Jahren durften wir eine leichte Zunahme bei der Drittfinanzierung verzeichnen.»
Einerseits dank zusätzlicher Stiftungsgelder, andererseits weil das Fantoche von Stadt und Kanton einen Teuerungsausgleich erhalten habe. Das sagt Mischa Haberthür, stellvertretender Direktor des Festivals und Leiter Sponsoring und Fundraising.
Beim Fantoche könne man sich insofern nicht beschweren, so Haberthür. Er sagt aber auch: «Wir merken, dass die Finanzierung tendenziell anspruchsvoller geworden ist, beziehungsweise mehr Aufwand erfordert.» Von diversen Stiftungen höre das Leitungsteam, die Zahl der Gesuche sei in den letzten Jahren enorm gestiegen. Mit dieser Entwicklung können die verfügbaren Mittel nicht schritthalten.
«Eine grössere Stiftung im Kulturbereich hat uns mit der Absage transparent kommuniziert, dass nur sieben Prozent aller eingereichten Gesuche berücksichtigt werden konnten», so Haberthür. «Mehrere Stiftungen, die früher jährlich unterstützen, vergeben als Reaktion auf diese Problematik neu nur noch alle zwei bis drei Jahre Beiträge an dieselbe Organisation, wodurch mehr Arbeit in die Akquise alternativer Stiftungen investiert werden muss.»
Diese Schwierigkeit kennt auch Monica Rosenberg. Sie ist operative Leiterin der Solothurner Filmtage. «Trotz grosser Bemühungen ist es komplizierter geworden, Sponsoren zu finden und zu binden», sagt sie. Die Gründe dafür seien vielfältig: In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit müssten viele Unternehmen ihre Ausgaben straffer kalkulieren, Marketing- und Sponsoringbudgets würden oft als Erstes gekürzt.
«Veränderte Unternehmensstrategien setzen leider eher auf kurzfristig messbare Effekte als auf langfristiges kulturelles Engagement», so Rosenberg. Zudem entstünde eine zunehmende Konkurrenz um die begrenzten Mittel, denn auch Sportveranstaltungen, Umweltprojekte oder Bildungseinrichtungen würden um Sponsoringpartner werben. Diese Entwicklung haben die Solothurner Filmtage dieses Jahr mit dem Ausstieg von Swisscom als zweite Hauptsponsorin direkt zu spüren bekommen.
Partnerschaftsmodell im privaten Bereich stark verändert
Haberthür vom Fantoche ergänzt: «Auch bei der öffentlichen Hand spüren wir einen gewissen Spardruck. Als Aargauer Kultur-Leuchtturm erhalten wir jedoch weiterhin viel Rückhalt von Stadt und Kanton, denen das Festival ein grosses Anliegen ist.» Raphaël Brunschwig, CEO des Locarno Film Festivals, sieht es ähnlich: «Im öffentlichen Bereich wird der Druck immer grösser. Im besten Fall gelingt es, bestehende Beiträge zu sichern.»
Im privaten Bereich habe sich das Partnerschaftsmodell stark verändert. Die Einbindung der Partner sei heute viel aktiver und inhaltlich reicher, was einerseits mehr Wirkung erzeuge, aber auch die Komplexität erhöhe. «In dieser neuen Phase, mit einer neuen Präsidentschaft und einem neuen Verwaltungsrat, eröffnen sich für das Festival neue internationale Perspektiven – mit dem Ziel, den Wert der in der Schweiz getätigten Investitionen weiter zu steigern», so Brunschwig.
Viele kulturelle Anlässe lassen sich nur finanzieren, wenn öffentliche Gelder und Beiträge von privaten Stiftungen und Sponsoren fliessen. Wie hat sich dieser Mix verändert? «Grundsätzlich ist der Mix bei uns in den vergangenen Jahren sehr konstant geblieben», sagt Haberthür von Fantoche. Die Diversifizierung bei den Drittmitteln sei ihnen ein grosses Anliegen, denn sie ermögliche es, negative Entwicklungen besser abzufedern.
Die Solothurner Filmtage finanzierten sich bisher zu je einem Drittel aus Eigenleistungen, Unterstützung durch Sponsoren und Stiftungen sowie Subventionen der öffentlichen Hand. «Mit der allgemeinen Teuerung der letzten Jahre, gekoppelt mit der herausfordernden Situation im Sponsoring, ist dieses Gleichgewicht dabei, sich zu verändern», sagt Rosenberg. «Als nationale Filmwerkschau haben die Solothurner Filmtage den Auftrag, die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Schweizer Films abzubilden. Eine breitere Unterstützung durch die öffentliche Hand ist deshalb wünschenswert.»
Das Budget des Locarno Film Festivals ist in den letzten zehn Jahren laut Brunschwig um rund fünf Millionen Franken gestiegen. «Der Anteil der öffentlichen Mittel ist von 44 Prozent auf 38 Prozent gesunken – dank einer signifikanten Steigerung der Beiträge aus dem privaten Sektor, der mittlerweile 35 Prozent des Budgets ausmacht.» Dabei gibt sich Brunschwig kämpferisch: «In diesen herausfordernden Zeiten haben kulturelle Institutionen die Aufgabe, über das blosse Überleben hinauszugehen. Wir müssen unseren öffentlichen Wert mit Mut und Originalität behaupten.»*
*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.