Stundenlang wurde am Mittwoch vor Gericht über den Fall «Carlos» diskutiert. Doch die Verwahrung, wie sie der Staatsanwalt fordert, ist äusserst schwierig.
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Thai-Boxer «Carlos» wurde als 15-Jähriger von seinen Psychiatern 13 Tage lang festgebunden. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Fall «Carlos» wurde am Mittwoch vor Gericht neu aufgerollt.
  • Der Staatsanwalt fordert 7,5 Jahre Knast und eine Verwahrung für den 24-Jährigen.
  • Die Voraussetzungen für die Verwahrung sind jedoch ziemlich spekulativ.

Wie soll es weitergehen mit «Carlos», respektive Brian, wie der berüchtigte Thai-Boxer mit richtigem Namen heisst? Gestern Mittwoch wurde der Fall erneut vor dem Zürcher Bezirksgericht aufgerollt. Der Staatsanwalt fordert 7,5 Jahre Gefängnis und die anschliessende Verwahrung.

Das Urteil folgt zwar erst nächsten Mittwoch. Doch eine harte Bestrafung ist fast unumgänglich. Rechtsanwalt und -Dozent Reto Ineichen glaubt: «Insbesondere durch die Medienaufmerksamkeit steht das Gericht unter einem immensen, öffentlichen Druck.»

Lebenslange Verwahrung schier unmöglich

Tage vor dem Prozess stellte «Carlos» klar, eine Verwahrung sei für ihn das Schlimmste. «Dann sollen sie mich lieber erschiessen oder mich töten.» Denn eine Verwahrung ist sozusagen die Zusatzstrafe zum Gefängnis. Läuft die Freiheitsstrafe aus, sperrt die Verwahrung den Täter noch länger hinter Gitter.

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Der Staatsanwalt will den Jugendstraftäter «Carlos» verwahren. - Keystone

Dabei gibt es die ordentliche Verwahrung, sowie die lebenslange Verwahrung. Letzteres hat die Schweiz 2004 gar in die Verfassung aufgenommen. Doch umsetzbar ist sie so gut wie gar nicht.

Nicht mal für den Vierfachmörder von Rupperswil wurde sie gesprochen. Denn sie erfordert zwei unabhängige Gutachten, welche einen Täter als lebenslang nichttherapierbar einstufen. Eine schier unmögliche Voraussetzung, wie auch Rechtsanwälte bemängeln.

Vierfachmörder von Rupperswil
Vierfachmörder Thomas N. (l) bei der Urteilsverkündung zum Vierfachmord von Rupperswil im Bezirksgericht Lenzburg in Schafisheim (AG). - Keystone

Wie im Fall Rupperswil ist auch im Fall «Carlos» eher eine ordentliche Verwahrung plausibel. Diese unterscheidet sich insofern von der lebenslänglichen, als dass die Möglichkeit besteht, dass der verurteilte Straftäter frühzeitig entlassen wird. Doch genau diese Beurteilung lässt viele Fragen offen.

Rückfallgefahr von Straftäter ist «nicht exakte Wissenschaft»

Im Falle von «Carlos» besteht gemäss Gutachter eine Rückfallgefahr für Gewaltdelikte bei 76 Prozent, auf fünf Jahre hinaus gesehen. Doch wie kommt man auf eine solche exakte Zahl?

Genau ist sie keinesfalls, stellt Rechtsanwalt Ineichen klar. «Es ist keine exakte Wissenschaft, gesteckt in ein wissenschaftliches Korsett.» Konkret wird bei einem Straftäter eine Risiko-Beurteilung gemacht, ein Modell, welches schweizweit gebraucht wird. In diesem gehen die Gutachter verschiedene Punkte durch und berechnen zum Schluss durch einen Algorithmus einen Risiko-Wert.

Rechtsanwalt
Reto Ineichen ist Dozent für Recht an der Hochschule Luzern. - Nau

Doch da es sich hier um die Psyche handle, sei kein messbarer Wert wie der Alkohol-Pegel bei einem Betrunkenen möglich. «Man verlangt hier eine klare Aussage, dabei ist für alle Player klar, dass dies nicht möglich ist.»

Darum sei es umso wichtiger, dass die Richter auch die seitenlangen Gutachten, sowie die etlichen Akten für die Urteilsentscheidung einbeziehen. Im Fall «Carlos» eine besonders schwierige Aufgabe, so Ineichen. «Ich glaube, hier ist jeder in der Schweiz froh, nicht in der Haut der entsprechenden Richtern zustecken.»

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