«Damit wird doch kaum gespart», denkt man über gewisse Aktionen der Städte in der Energiekrise. Eine Soziologin erklärt, wieso sie trotzdem etwas bewirken.
Lucy Vereinigung Energiekrise
Die «Lucy» in Zürich leuchtet dieses Jahr weniger lang als sonst. - EWZ; Stadt Zürich
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» in Zürich braucht nur so viel Strom wie ein Backofen.
  • Trotzdem leuchtet sie wegen der Energiekrise dieses Jahr einige Stunden weniger pro Tag.
  • Unsinnig? Eine Soziologin erklärt, weshalb dies trotzdem eine Wirkung hat.

Wegen der Energiekrise ist es zurzeit so wichtig wie noch nie, auf den eigenen Stromverbrauch zu achten. Das zumindest hört und sieht man überall – seien es die dunklen Strassen und Weihnachtsbäume oder die Plakate mit dem Sparappell des Bundes.

Die Massnahmen scheinen zu wirken: Bei einer Umfrage von Digitec Galaxus gaben 96 Prozent der befragten Schweizer an, beim Energiesparen mitzuhelfen. Zudem konnte der Energieverbrauch in den vergangenen Monaten gegenüber den Vorjahren schon deutlich gesenkt werden.

Sozialer Druck ist gut in Energiekrise

Der soziale Druck auf Einzelpersonen hat besonders zu dieser Entwicklung beigetragen, erklärt die Soziologin Orlane Moynat von der Universität Genf. Denn: «Für die Menschen ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ein besonders wichtiger Teil der Identität.»

Um «dazuzugehören», wünsche man sich etwa ein grösseres Auto, sobald sich der Nachbar auch eines kauft. Das Gleiche geschehe jetzt etwa bei der Weihnachtsbeleuchtung: Wenn der Nachbar verzichtet, überlegt man sich jetzt auch zweimal, ob man Liechtli aufhängt – das hat auch eine Strassenumfrage von Nau.ch gezeigt.

Strassenumfrage zur Weihnachtsbeleuchtung in Zürich. - Nau.ch

Noch vor der Energiekrise und Corona zeigten Forscher 2019 im Rahmen des Nationalfonds: Um Energie zu sparen, müssen sich die täglichen Routinen und Normen ändern.

«Die Behörden müssen zeigen, dass das auf allen Ebenen geschieht», erklärt Moynat. Die Weihnachtsbeleuchtung eine Stunde früher auszuschalten oder das Verwaltungsgebäude ein Grad weniger zu heizen, spare nicht nur Energie, sondern sei symbolisch wichtig.

96 Prozent wollen beim Energiesparen mithelfen.
Weihnachtsbeleuchtung
Auch die Städte sparen Energie: So wird etwa die Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» in Zürich früher ausgeschaltet.
Velos
Mancherorts wird die Weihnachtsbeleuchtung nun gar durch Muskelkraft angetrieben.
Energiekrise
Damit das Energiesparen wirklich etwas nützt, braucht es ein gesellschaftliches Umdenken.
Energie
Dazu tragen auch Aktionen der Städte und Behörden bei, die an sich nicht enorm viel Energie einsparen.

Im Normalfall sei es aber schwierig, unbewusste «Regeln» – etwa wie oft man seine Kleider waschen muss – loszulassen. «Die Energiekrise – und auch schon Corona – sind unerwartete und einschneidende Ereignisse. Durch so etwas werden viele Überzeugungen und Gewohnheiten infrage gestellt», erklärt Moynat.

Bleiben gute Energie-Gewohnheiten erhalten?

In der Energiekrise ist das positiv. Es findet es wohl jeder besser, das Licht zu löschen, wenn man einen Raum verlässt.

Werden Sie auch in Zukunft besser auf Ihren Energieverbrauch achten?

Aber: Wie lange werden wir uns als Gesellschaft an die veränderten Normen halten? «Das ist sehr schwierig zu beantworten», erklärt Moynat. «Bei unserer Forschung zum Coronavirus haben wir viele Änderungen in den alltäglichen Gewohnheiten aufzeigen können. Aber diese sind wieder verschwunden, sobald sich die Situation normalisierte.»

Nur wenn es auch Änderungen gebe, die diese neuen Normen unterstützen, können sie sich in der Gesellschaft halten. «Zum Beispiel, wenn der öffentliche Verkehr zugänglicher gemacht wird, damit die Menschen weniger Auto fahren müssen», so Moynat.

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