Immer mehr Eltern verzichten bei ihrer Erziehung auf das Wort «Nein». Für die Kinder hat das verheerende Folgen. Eine Expertin und ein Experte klären auf.
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Eltern verzichten teilweise ganz auf das Wort «Nein» – mit fatalen Folgen für die Kinder. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Eltern haben Schuldgefühle, wenn sie «Nein» sagen – und verzichten deshalb darauf.
  • Expertinnen und Experten warnen jedoch von dieser Erziehungsmethode.
  • Denn: Betroffene Kinder werden ihnen zufolge so Mühe in der Aussenwelt haben.
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Es gibt zahlreiche Erziehungsmethoden. Eine davon: Eltern, die das Wort «Nein» ganz bewusst aussen vor lassen. Will ihr Kind ein Glacé, kriegt es eins – will es zwei, kriegt es zwei. Will es noch nicht ins Bett, darf es einfach länger wach bleiben.

Diese radikale Art der sogenannten bedürfnisorientierten Erziehung ist unter Expertinnen und Experten bekannt, wird jedoch kontrovers diskutiert.

Denn: «Es wird ein Erziehungsspiel propagiert, bei dem Kinder wissen sollen, was das Beste für sie ist», kritisiert Kinderpsychologe Philipp Ramming. Das ist aber nicht der Fall, denn meist seien die Kids zu jung und zu unerfahren.

«Eltern müssen auch anleiten»

Dass Eltern auf die Bedürfnisse ihres Kindes hören, will der Experte damit keineswegs beanstanden – im Gegenteil. «Eltern müssen ihr Kind nicht nur begleiten, sondern auch anleiten», erklärt Ramming. Und dafür brauche es hin und wieder ein «Nein».

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Um den Bedürfnissen des eigenen Kindes gerecht zu werden, aber auch um keine Schuldgefühle zu haben, verzichten Eltern bei ihrer Erziehung immer öfters auf das Wort «Nein».
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Unter Expertinnen und Experten wird diese Methode kontrovers diskutiert, da eine solche Erziehung dem Kind auch schaden kann.
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Betroffene Kinder haben beispielsweise grosse Probleme, ausserhalb der Familie Anschluss zu finden.
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Eltern müssen ihren Sprösslingen deshalb auch Grenzen setzen.

Das gilt auch, wenn es um Glacé und Schleckzeug geht, wie Ernährungspsychologin Ronia Schiftan bestätigt: «Kinder ernähren sich sehr intuitiv. Wenn sie also, wie im Beispiel erwähnt, ein Eis möchten, kann das ein Hinweis auf ein physisches oder auch psychisches Bedürfnis sein.»

Haben Sie Kinder?

Auch hier ist es laut der Expertin wichtig, auf Bedürfnisse zu hören. Aber Eltern sollten ihr Kind beim Ernährungsprozess an die Hand nehmen.

Schiftan sagt: «Sie müssen ihm hin und wieder Leitplanken setzen und ihm erklären, warum es beispielsweise kein weiteres Eis bekommt, ohne Lebensmittel in gut und schlecht einzuteilen.» Kinder lernen also so auch Leitgedanken rund um die Ernährung, profitieren aber vor allem von Vorbildern, die einen entspanntes und ausgewogenes Essverhalten vorleben.

Kinder brauchen Verhaltensregeln zum Überleben

Die Ursache für diese radikale bedürfnisorientierte Erziehung sieht Entwicklungspädagogin Rita Messmer in der Reue der Eltern: «Sie leiden unter Schuldgefühlen, wenn sie Grenzen setzen. Sie meinen, ihrem Kind damit zu schaden.» Gerade Mütter würden deshalb oft in Tränen ausbrechen.

Damit würden sie ihrem Kind jedoch massiv schaden, betont Messmer. «Je höher entwickelt Säugetiere sind, desto mehr sind sie darauf angewiesen, von der Mutter überlebenssicherndes Verhalten gelehrt zu bekommen.» Ansonsten, so die Entwicklungspädagogin, hätten sie in der Natur keine Überlebenschance.

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Gerade Mütter haben Schuldgefühle, wenn sie ihren Kindern Grenzen setzen. - depositphotos

Ähnlich drückt es auch Philipp Ramming aus: «Ohne gelernte gesellschaftliche Werkzeuge haben Kindern ausserhalb der eigenen Familie grosse Probleme.» Ihnen würden also wichtige Normen und Werte der eigenen Gesellschaft fehlen, was sie schlimmstenfalls zu Aussenseiterinnen und Aussenseitern machen könnte.

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