Seit Montag stehen ein 65-Jähriger und seine vier erwachsenen Söhne im Berner Moutier wegen Menschenhandel vor dem Regionalgericht.
Vier Frauen aus dem Balkan wurden im Berner Jura über Jahre von ihren Männern und dem Schwiegervater drangsaliert. Nun stehen die Männer vor Gericht. (Symbolbild)
Vier Frauen aus dem Balkan wurden im Berner Jura über Jahre von ihren Männern und dem Schwiegervater drangsaliert. Nun stehen die Männer vor Gericht. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/LUIS BERG
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Moutier BE stehen seit Montag vier Erwachsene und deren 65-Jähriger vor dem Gericht.
  • Sie sollen Ehefrauen unter sklavenartigen Bedingungen gehalten haben.

Ein heute 65-jähriger Mann und seine vier erwachsenen Söhne stehen seit Montag in Moutier im Kanton Bern vor Gericht. Sie sollen die Ehefrauen der Söhne jahrelang unter sklavenartigen Bedingungen gehalten haben.

Die vom Balkan stammende Familie soll ihr Leben gemäss dem Kanun – einem mittelalterlichen Gewohnheitsrecht – organisiert haben. Dabei ist der Vater das patriarchale Oberhaupt.

Für die vier Söhne sollen laut Anklage die Ehefrauen aus dem Balkan organisiert worden sein. Eine von ihnen war noch minderjährig. Den Frauen und ihren Eltern wurde ein besseres Leben in der Schweiz versprochen.

Dem Vater und seinen vier Söhnen wird unter anderem Menschenhandel, Zwangsheirat, Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen.

2019 konnten die Frauen fliehen. Bei den Befragungen am Montag berichteten die Frauen, dass sie geschlagen wurden. Ausserdem mussten sie sexuell gefügig sein und konnten kaum Kontakt zur Aussenwelt haben.

Physische und psychische Gewalt

«Ich wurde vom Schwiegervater geschlagen», berichtete eine der Frauen. Der Schwiegervater und ihr Mann hätten sie unter Druck gesetzt und ihr Kind dabei als Druckmittel benutzt. Sie habe nie eine freie Wahl treffen können und sei konstant überwacht worden, etwa durch eine versteckte Videokamera.

Eine weitere Frau berichtete, dass sie mit der Ehe nie einverstanden gewesen sei. Ihr Vater und ihre Schwester hätten diese Ehe gewollt. Sie selber habe aus Tradition kein Mitspracherecht gehabt.

Laut Anklage wurden die Frauen mit dem Tod bedroht und zu sexuellen Handlungen gezwungen. Sie mussten auch praktisch rund um die Uhr Hausarbeiten für die Schwiegereltern und ihre eigene Familie verrichten. Eine musste ihrem Schwiegervater und einem Schwager regelmässig die Füsse waschen.

Keine Konfrontation der Opfer und Täter

Der Vater soll seinen Söhnen eingetrichtert haben, die Ehefrauen mit Gewalt zu züchtigen, wenn diese zu wenig gefügig waren. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

Eine Konfrontation mit den mutmasslichen Tätern wurde am Montag in Moutier vermieden. Die Angeklagten verfolgten die Befragung der Frauen in einem Nebensaal per Videoschaltung. Diese Massnahme wurde auf Wunsch der Frauen ergriffen. Sie sind heute im Alter zwischen 24 und 36 Jahren.

Die Vorfälle ereigneten sich über mehrere Jahre in einem Dorf im Berner Jura. Das Urteil des Gerichts wird am 24. November erwartet.

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