E-Scooter-Anbieter führen Test für Betrunkene ein – Diskriminierung?
Um 3 Uhr nach dem Ausgang betrunken mit dem E-Trotti nach Hause fahren? Das war einmal – dank neuen Tests. Experten warnen jedoch vor Diskriminierung.

Das Wichtigste in Kürze
- E-Scooter-Anbieter führen Tests für Betrunkene ein, um Unfälle zu vermeiden.
- Grund: Alkoholbedingte Unfälle mit E-Trottinetts stiegen in Zürich um 50 Prozent.
- Ein Invaliden-Verein warnt derweil vor Diskriminierung bei den Geschicklichkeitstests.
In Zürich haben sich verschiedene E-Trottinett-Anbieter entschieden, einen neuen Ansatz zur Vermeidung von Unfällen zu verfolgen. Sie führen Geschicklichkeitstests ein, die vor der Fahrt bestanden werden müssen. Wer den Test nicht besteht, kann kein E-Trotti ausleihen. Das sorgt für Kritik von Menschen, die sich für Rechte von geistig Beeinträchtigten einsetzen.
Alkoholbedingte Unfälle nehmen zu
Aber von Anfang an: Die Stadtpolizei Zürich hat festgestellt, dass die Zahl der alkoholbedingten Unfälle mit E-Trottinetts steigt. Im letzten Jahr wurden 137 solcher Unfälle registriert – das ist ein Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei einem Drittel dieser Fälle war Alkohol im Spiel, berichtet das SRF.
Test schafft man «nur in nüchternem Zustand»
Anbieter wie Tier und Lime haben nun reagiert und Geschicklichkeitstests eingeführt. Diese sind so gestaltet, dass betrunkene Fahrer kaum eine Chance haben, sie zu bestehen.
Tier-Sprecher Emre Argön erklärt gegenüber SRF: «Man hat nur wenige Sekunden Zeit, um den Neigungswinkel des Smartphones so einzustellen, wie es die App vorgibt. Das schafft man nur in nüchternem Zustand».
Nach drei erfolglosen Versuchen wird der Nutzer automatisch an einen Fahrdienst weitergeleitet. Dies gilt jedoch nur für Nutzer in St. Gallen und Zürich.
Weitere Anbieter ziehen nach
Lime setzt auf Tests konkret zur Vermeidung von nächtlichen Alkoholfahrten. Zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens müssen potenzielle Fahrer ihr Reaktionsvermögen unter Beweis stellen.
E-Scooter-Anbieter Voi setzt ebenfalls auf einen Geschicklichkeitstest: Hier müssen Nutzer ein Reaktionsspiel bestehen – sie müssen innerhalb einer bestimmten Zeit auf dem Display auftauchende Helme anklicken. Und auch Voi verweist auf einen Fahrdienst.
Voi-Sprecher Tim Schäfer betont: «Wir wollen sicherstellen, dass nur verkehrstüchtige Personen fahren». Die Tests funktionieren gut – immer wieder würden Trottis gesperrt.
Organisation, die sich für Menschen mit geistiger Behinderung engagiert, warnt vor Diskriminierung
Funktionieren ja – doch sind die Tests wirklich für alle fair?
Jan Habegger ist stellvertretender Geschäftsführer von «insieme». Die Organisation engagiert sich für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Er fordert: «Durch die Tests dürfen unter keinen Umständen Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung generell ausgeschlossen werden!»
Der Test müsse genau jene kognitiven Fähigkeiten «abfragen», welche auch für das Fahren des E-Scooters vonnöten sind. Zudem sei eine Information zum Ablauf des Tests in leichter Sprache unabdingbar.

Zu Nau.ch sagt er: «Schliesslich gibt es Menschen, die aufgrund ihrer Einschränkung den Test unter Umständen nicht bestehen. Aber eigentlich dazu imstande wären, E-Scooter zu fahren.» Daher dürfe der Test ausschliesslich auf der motorischen Ebene stattfinden.
Habegger ergänzt: «Wünschenswert wäre zudem, dass Informationen zum Verhalten im Strassenverkehr angezeigt werden.»
Ob die Tests in genannten Fällen auch für kognitiv beeinträchtigte Personen, die zu Fahren imstande wären, ausgelegt ist, ist unklar.