Wer sich oft krankmeldet, hat plötzlich einen Tracker am Auto oder einen Detektiv im Gebüsch vor der Haustür: Einige Chefinnen und Chefs fackeln nicht lange.
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Besonders oft lassen Vorgesetzte Mitarbeitende bespitzeln, die sich krankmelden oder die schwarz einem Doppelerwerb nachgehen könnten. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Schweizer Unternehmen lassen ihre Mitarbeitenden bespitzeln.
  • Betroffen sind häufig Angestellte, die sich oft krankmelden.
  • Wer in der Baubranche arbeitet, wird ebenfalls öfter bespitzelt.
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Es passiert: Man wacht auf und hat plötzlich hämmernde Kopfschmerzen und Fieber. Dabei müsste man doch eigentlich ins Büro, auf den Bau oder ins Geschäft.

Doch einige Vorgesetzte kennen kein Pardon, wenn sich Mitarbeitende krankmelden. Vor allem nicht, wenn es öfter vorkommt. Sie heuern eine Detektei an, die kontrollieren soll, ob die Mitarbeitenden wirklich zu Hause im Bett liegen.

«Es gibt tatsächlich Chefs, die wollen einfach einmal alle Mitarbeitenden von uns überprüfen lassen. Ohne, dass sie einen Verdacht hätten», erzählt Erich Wunderli von der Detektei Wunderli. «Sie kommen dann und sagen: ‹Ich will mal schauen, was die eigentlich den ganzen Tag machen›.»

«Es braucht schon einen Verdacht»

Solche Aufträge lehne er ab. «Einfach so Mitarbeitende bespitzeln, das machen wir nicht. Es braucht schon einen Verdacht, dass jemand den Chef oder die Chefin täuscht.» Bei den Aufträgen, die Wunderli annimmt, stellen sich die meisten Verdachte der Vorgesetzten aber tatsächlich als wahr heraus.

Hand aufs Herz: Haben Sie sich schon mal krankgemeldet, als Sie gesund waren?

«Besonders oft überprüfen wir Mitarbeitende aus dem Bau- und Handwerkgewerbe», sagt der Detektiv. Die häufigsten Gründe für Bespitzelungs-Aufträge: «Krankheit ist ein grosser Teil, aber es gibt auch oft solche, die nebenbei einem Doppelverdienst nachgehen. Sie rufen dann morgens an und sagen ‹Chef, ich bin krank›. In Wirklichkeit arbeiten sie den ganzen Tag schwarz.»

Buschauffeur fährt privat mit Gips herum

Das gebe es in der Bau- und Handwerkerbranche so oft, weil sich dort viele Mitarbeitende selbstständig machen wollten. «Sie bauen sozusagen auf Arbeitszeit ihr KMU auf», berichtet Wunderli.

Es kommt aber auch in anderen Jobs vor: «Wir hatten einmal einen Buschauffeur, der seinem Chef sagte, er habe den Arm gebrochen. Als wir ihn beobachteten, stellten wir fest, dass er trotz Gips den ganzen Tag Auto fuhr.» Der Mann hatte nämlich nebenbei einen Limousinenservice. «An dem Gips war nicht viel echt», erinnert sich der private Ermittler.

Chef
Das grösste Risiko, bespitzelt zu werden, haben Personen, die sich oft krankmelden … (Symbolbild)
Bau
... Angestellte auf dem Bau … (Symbolbild)
Handwerker
... Handwerkerinnen und Handwerker … (Symbolbild)
Mitarbeiter
... und Mitarbeitende von Mittel- und Grossunternehmen. (Symbolbild)
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Damit das Ganze rechtlich in Ordnung ist, braucht es aber einen handfesten Verdacht. (Symbolbild)

Privatdetektiv Patrick Kurtz von der Kurtz Detektei Schweiz beobachtet zudem, dass die meisten Aufträge von Mittel- und Grossunternehmen kommen. «Aufträge von kleinen Unternehmen sind sehr selten.»

Zusammengefasst: Das grösste Risiko, bespitzelt zu werden, haben Personen, die sich oft krankmelden, Bauangestellte, Handwerker und Mitarbeitende grösserer Firmen.

Rechtlich erlaubt: Chefin darf Mitarbeiter bespitzeln

Doch wie sieht das Ganze rechtlich aus – dürfen Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden bespitzeln lassen? «Grundsätzlich ja», sagt Rechtsexperte Nicolas Facincani von VFS Partner zu Nau.ch.

Die Beobachtung müsse aber legal durchgeführt und die Freizeitaktivitäten auf Arbeitszeit bewiesen werden. Darum schrecken die Detektive also vor Aufträgen zurück, bei denen es keinen konkreten Verdacht gibt.

Was halten Sie von Vorgesetzten, die ihre Mitarbeitenden bespitzeln lassen?

Mögliche Rechtfertigungsgründe für eine Überwachung: «Es muss zum Beispiel ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse des Arbeitgebers bestehen. Etwa, wenn illegale Tätigkeiten verhindert werden sollen oder wenn es um die Reputation des Unternehmens geht.»

Die Detektive müssten zudem beachten, dass die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden nur möglichst begrenzt gefährdet werden. Läuft die Beobachtung aber legal ab, dürfen die Ergebnisse auch vor Gericht verwendet werden.

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Sofern die Bespitzelung legal abgelaufen ist, dürfen die Ergebnisse auch vor Gericht verwendet werden. (Symbolbild) - keystone

Einen Anstieg an Bespitzelungsanfragen stellt Detektiv Wunderli in den letzten Jahren übrigens nicht fest. Im Corona-Jahr 2020 gingen die Aufträge wegen des Aufkommens des Homeoffice zwar durch die Decke. Doch inzwischen hat sich die Nachfrage wieder gelegt, wie er sagt.

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