Angehörige werfen einer Luzerner Psychiatrie vor, einen 76-jährigen Demenzkranken während seines Aufenthalts mit Medikamenten vollgepumpt und isoliert zu haben.
Kurt Müller
Kurt Müller (76) soll in der Psychiatrie schlecht behandelt worden sein. - SRF

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Tochter eines Patienten kritisiert eine Luzerner Psychiatrie scharf.
  • Kurt Müller (76) sei mit Medis vollgepumpt worden.
  • Seit dem Klinikaufenthalt gehe es dem Demenzkranken deutlich schlechter.
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Kurt Müller (76) erfuhr bei seinem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik St. Urban (LU) eine schockierende Behandlung. Der Demenzkranke wurde isoliert, am Boden liegen gelassen und mit Medikamenten vollgepumpt, wirft seine Tochter Angela Müller der Psychiatrie vor.

«Den Rapport zu lesen war heftig», sagt sie in der SRF-Sendung «Kassensturz». Sie zitiert aus dem 71-seitigen Dokument: «Er tobte, er weinte, er lag am Boden ... wir haben ihn liegen gelassen.»

Kurt Müller
Seine Tochter wirft der Klinik vor, Kurt Müller (76) sei schlecht behandelt und mit Medikamenten vollgepumpt worden.
Kurt Müller
So hat der demenzkranke Rentner vor seinem Aufenthalt ausgesehen – jetzt sitzt er im Rollstuhl.
Luzerner Psychiatrie
Die Klinik St. Urban befindet sich in den Gebäuden des ehemaligen Klosters St. Urban.

Wegen seiner Erkrankung an Demenz sei der 76-Jährige auch manchmal unruhig geworden. Im Pflegeheim habe er eine Pflegerin gebissen, deshalb wurde er für eine medikamentöse Anpassung in die Psychiatrie geschickt.

Aber auch dort wird die Situation nur schlimmer. «Wurde aufgrund von Fremdaggressivität mit Securitas ins Isozimmer gebracht: Patient spuckt und schlägt», heisst es in dem Bericht.

«Quasi mit Medikamenten vollgepumpt»

Daraufhin erhält Müller starke Medikamente, Antipsychotika, die auch als Beruhigungsmittel eingesetzt werden, sowie das Benzodiazepin Temesta. An einem Tag wurden ihm gar sechs Dosen von je einem Gramm davon verabreicht. Der pensionierte Arzt Max Giger kritisiert: «Kurt Müller wurde quasi mit Medikamenten vollgepumpt. Sie haben ihn pharmakologisch flachgelegt.»

Nach zehn Tagen in Isolation ist der 76-Jährige schläfrig und kaum mehr ansprechbar. Er muss ins Spital – mit Verdacht auf einen Schlaganfall. Danach geht es zurück in die Psychiatrie, erst nach vier Wochen kommt er zurück ins Pflegeheim.

Kurt Müller
Seit dem Psychiatrie-Aufenthalt sitzt Kurt Müller (76) im Rollstuhl. - SRF

Nach dem Aufenthalt ist er kaum wiederzuerkennen. Er sitzt im Rollstuhl und benötigt noch mehr Pflege als zuvor.

Für Angela Müller ist klar: Ohne den Psychiatrieaufenthalt würde es ihrem Vater heute noch besser gehen. «Da wurde gewurstelt», sagt auch Giger. Da es so eine rasante negative Entwicklung gebe, müssten «Sachen schiefgelaufen sein».

Laut Pflegekräften ist Müller kein Einzelfall

Die Luzerner Psychiatrie (Lups) will sich auf Anfrage des Senders nicht zu dem Fall äussern. Gemäss anonymen Aussagen von Pflegekräften ist Müller aber kein Einzelfall.

Waren Sie schon mal in der Psychiatrie?

Es komme öfter vor, dass gerade ältere Patienten immer wieder ans Bett gebunden oder mit Medikamenten sediert würden. Grund sei unter anderem auch der Personalmangel in der Branche, so ein Pflegefachmann. Weil oft nur eine oder zwei Pflegende 10 bis 15 Demenzkranke betreuen, müsse man zu solchen Methoden greifen.

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