Immer wieder haben Reisegäste mit Verspätungen der Deutschen Bahn zu kämpfen. Für Politologe Claude Longchamp wird eine Zugreise zur Odyssee – ein Protokoll.
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Auf Facebook teilt Claude Longchamp das «Protokoll einer Irrfahrt mit der Deutschen Bahn durch ganz Deutschland» – trotzdem reist der Politologe gerne mit dem Zug. - Facebook / Claude Longchamp

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer wieder hat die Deutsche Bahn mit Verspätungen zu kämpfen – zum Ärger der Reisenden.
  • Claude Longchamp erlebt am Wochenende eine regelrechte Irrfahrt durch ganz Deutschland.
  • Der Politologe ist überzeugt: «Die Bahn ist das richtige Verkehrsmittel, aber ...»
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Die «Odyssee» gilt als eine der einflussreichsten Dichtungen der abendländischen Literatur: Das Epos von Homer schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka während seiner zehnjährigen Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg.

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Eine Kanne mit der Darstellung des Schiffbruchs des Odysseus steht im Antikenmuseum in Basel. (Symbolbild) - keystone

Heute hat sich der Begriff «Odyssee» in vielen Sprachen zum Synonym für eine lange Irrfahrt gemausert. Ähnlich wie der Held aus der Antike erlebte Claude Longchamp jüngst eine solche Odyssee: Die Rückkehr aus den Ferien verkommt zur «Irrfahrt durch ganz Deutschland», wie der Politikwissenschaftler auf Facebook mitteilt.

«Protokoll einer Irrfahrt durch ganz Deutschland»

Die Reise beginnt in Kiel (D), Claude Longchamp wartet auf den Intercity-Express 373 nach Interlaken BE. Die Frisur sitzt, noch ist die Stimmung ungetrübt – doch bereits am Bahnhof ziehen erste «Gewitterwolken» auf. Um 11:12 kommt die Durchsage: «Entschuldigen Sie die falsche Anzeige – unser Zug verkehrt heute nur bis Basel SBB

Unmittelbar nach dem ersten Streich folgt der zweite: «Entschuldigen Sie, dass die elektronische Platzreservation ausgefallen ist. Personen ohne Reservation machen bitte umgehend Platz.» Danach folgt ein «grosses Sitze-Tauschen», wie Longchamp zu Protokoll gibt.

Keine 20 Minuten später folgt bereits der dritte Streich – der ICE 373 steht wegen eines «ausserplanmässigen Signalschadens» still: Im Zugsinnern mokieren sich die Reisegäste über die Frage, ob es denn auch «planmässigen Signalschaden» gebe? Erst nach 20 Minuten kann der Zug weiterfahren.

Mittlerweile ist es 16:00 Uhr – der Zugführer gibt Vollgas. «Die Verspätung beträgt nur noch 13 Minuten,» heisst es durch die Lautsprecheranlage – Freude herrscht! Doch die Freude bleibt von kurzer Dauer. Keine Stunde später folgt wegen einer Streckensperrung ein «ausserplanmässiger Halt» in Darmstadt: Erst nach langen 20 Minuten fährt der Zug weiter – in (falscher) nördlicher Richtung!

Es knackt über die Lautsprecheranlage: «Wir machen eine Streckenwendung und fahren andersherum nach Mannheim. Reisende nach Paris bleiben im Zug, in Karlsruhe besteht Anschluss auf den TGV.»

«Verbreitetes Unverständnis»

Es ist 18:00 Uhr – die Stimmung im Zugsinnern verschlechtert sich. Die Verspätung beträgt mittlerweile 60 Minuten – Restaurant und Bar sind geschlossen. Ein Raunen geht durch den Zug: «Das stiess auf verbreitetes Unverständnis», erklärt Longchamp auf Anfrage.

Claude Longchamp Deutsche Bahn
Für Politologe Claude Longchamp wird die Heimreise aus den Ferien zur Odyssee: Das Protokoll einer Irrfahr durch ganz Deutschland. (Archivbild) - keystone

«Langsam plane ich, in Basel übernachten zu müssen!» Karlsruhe erreicht der ICE 373 erst mit satten 68 Minuten Verspätung. Über die Lautsprecheranlage zeigt die Deutsche Bahn wenig Verständnis: «Wir wünschen eine gute Weiterfahrt und bedanken uns, dass Sie mit der Deutschen Bahn gefahren sind!»

Anders sieht es im Bordrestaurant aus – mit Notpersonal wird der Restaurationsbetrieb bis Basel doch noch weitergeführt. Überhaupt möchte der Politologe das Bordrestaurant loben: Der Eintopf zum Mittagessen war «ziemlich lecker», so die Einschätzung des sprichwörtlichen Odysseus.

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«Ich will auch das Mittagessen loben: Eintopf, ziemlich lecker!» – schreibt Claude Longchamp auf Facebook. - Facebook / Claude Longchamp

Die Verzweiflung wächst – mittlerweile ist die Situation nur noch mit Humor zu verkraften: «Wenn alle Stricke reissen, wandern wir nach Hause...»

Erst um 19:45 Uhr folgt die Erlösung: Erstmals wird Basel angekündigt, freut sich Longchamp: «Die Ferien nehmen wohl kein ausserplanmässiges Ende.» Schliesslich trifft der Politologe mit einer guten Stunde Verspätung in Bern ein. «Der Schluss verlief dann recht ... zügig», erklärt Longchamp schmunzelnd.

Mit gutem Gewissen und einer Prise Humor

Insgesamt verlief die Odyssee des Politikwissenschaftlers meist ruhig, wie er auf Anfrage mitteilt: «Die Deutschen bleiben gelassen. Sie kennen es wohl schon – verschiedene Gäste erzählten mir von ihren grössten Abenteuern mit der Deutschen Bahn.» Man könne fast einen ganzen Roman schreiben.

Apropos «grösste Abenteuer mit der Deutschen Bahn» – erst kürzlich hatte ein Nau.ch-Reporter eine ähnlich abenteuerliche Odyssee durchlebt, die durchaus auch ein Kapitel in einem allfälligen Roman verdient hätte.

«Das richtige Verkehrsmittel, aber ...»

Der Politologe erklärt, er habe sich bewusst entschieden, nicht mehr in die Ferien zu fliegen und fahre selbst kein Auto: «Die Bahn ist das richtige Verkehrsmittel, aber sie muss zuverlässiger werden!» Am Ursprung der ständigen Verspätungen sieht Longchamp eine Überlastung der Hauptverkehrslinien auf dem europäischen Schienennetz. «Das System ist anfällig für Störungen – in Schweden hatte ich keine solchen Probleme!»

Sind Sie schon einmal mit der Deutschen Bahn gefahren?

Gleichzeitig rät der Politikwissenschaftler zur Gelassenheit: «Anfangs gab es reichlich Kopfschütteln, aber danach nahm ich es mit Humor. Das hilft!»

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