Obwohl ein Heimbewohner mit seinen Eltern in den Ferien war, verlangt das Zentrum mit 300 Franken pro Tag den vollen Preis. Das macht der «Beobachter» publik.
Jugendheim
Jacken hängen in der Garderobe der Wohngruppe eines Jugendheims. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Über 300 Franken pro Tag soll Familie Müller für den Heimaufenthalt ihres Sohns zahlen.
  • Und das, obwohl dieser 14 Tage lang gar nicht dort war.
  • Schuld daran, dass es keine reduzierte Taxe gibt, ist der Kantönligeist.

Der «Beobachter» berichtet von einem brisanten Fall. Die Familie Müller* staunt nicht schlecht, als sie im Juli von den gemeinsamen Ferien zurückkommt: Zu Hause wartet eine saftige Rechnung.

In den Ferien dabei war nämlich auch Sohn Severin*, der wegen einer Behinderung im Regionalen Arbeitszentrum Herzogenbuchsee (RAZ) lebt.

Und obwohl der 25-Jährige 14 Tage lang gar nicht im Zentrum war, fordert dieses in der Monatsrechnung den vollen Preis: Happige 199,50 Franken pro Tag plus 122,75 Franken für seine Beschäftigung im Atelier. Das alles für Dienstleistungen, die er gar nie in Anspruch genommen hat.

Zum Verhängnis geworden ist der Familie der Kantönligeist, wie sie schnell bemerkt: Was folgt, ist ein Kampf durch den Behördendschungel.

«Das ist doch diskriminierend»

Eigentlich sieht Severins Vertrag vor, dass er bei Abwesenheit nur die sogenannte Reservationstaxe zahlen muss, die deutlich billiger ausfällt. Auf diese Lösung hat Severin aber gemäss dem RAZ keinen Anspruch. Die Begründung: Sein zivilrechtlicher Wohnsitz liegt in Basel-Landschaft und nicht im Kanton Bern.

«Heimbewohnende werden je nach Wohnsitz unterschiedlich behandelt. Das ist doch diskriminierend», kritisiert Severins Vater diese Praxis nun gegenüber dem «Beobachter». In einem Heim im Kanton Solothurn sei seinem Sohn stets problemlos die verminderte Taxe berechnet worden.

Wohnheim
Ein zum Regionalen Arbeitszentrum Herzogenbuchsee gehörendes Wohnhaus.
Familie
Eine Familie muss für den Aufenthalt zahlen, obwohl ihr Sohn 14 Tage gar nicht im RAZ war.
Problem
Das Problem: Die unterschiedliche Regelung in den Kantonen.

Bitter: Severins Familie kann sich ohne die vergünstigte Taxe während Abwesenheiten Ferien nicht leisten. Auch in ein Ferienlager für Personen mit Behinderungen, das Severin einmal jährlich besucht, könnte er so nicht mehr.

Kantone finden, der jeweils andere müsse zahlen

Auf der Suche nach einer Lösung geraten die Müllers in ein bürokratisches Wirrwarr zwischen den Kantonen Bern und Basel-Landschaft. Bern verlangt, dass Basel-Landschaft die verminderten Kosten bei Abwesenheit regelt.

Basel-Landschaft wiederum gewährt allen Personen, egal mit welchem Wohnsitz, in Basler Heimen die Vergünstigung – und erwartet von Bern dasselbe. Kurz: Beide Kantone finden, der jeweils andere müsse zahlen.

Sollten mehr Regeln in den Kantonen vereinheitlicht werden?

Laut einer interkantonalen Vereinbarung sollten soziale Einrichtungen auch Personen aus anderen Kantonen offenstehen. Dazu müssten aber gerade solche finanziellen Aspekte einheitlich geregelt sein – was offensichtlich nicht der Fall ist.

«Kosten sind gleich hoch»

Beim RAZ finden die Müllers auch keine Lösung. Das Zentrum erklärt gegenüber dem «Beobachter»: «Wir können nicht einfach weniger verrechnen, wenn Bewohnende abwesend sind. Die Kosten sind gleich hoch, ob die Person nun an- oder abwesend ist.» Zudem sei man ans Gesetz des Kantons gebunden.

Trotz des bürokratischen Hin und Her bleiben Severin und seine Eltern also auf den Kosten sitzen. Einzige Hoffnung bleibt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren. Auch dort haben sie ihr Problem angebracht – eine Lösung ist aber noch nicht gefunden.

*Name geändert

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