Berner Jugendkirche wirbt mit skurriler Laktose-Heilung
Laktoseintoleranz ist unheilbar. Dem widerspricht eine Kirche in Thun BE: Sie wirbt mit einer Jugendlichen, die nach einer Predigt nicht mehr daran leiden soll.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Christin erzählt im Netz, wie sie «mit Gott» von Laktoseintoleranz geheilt wurde.
- Damit wirbt sie auf Instagram für ihre Jugendkirche im Berner Oberland.
- Die Kirche schürt so falsche Hoffnungen: Laktoseintoleranz ist unheilbar.
Wenn Milchprodukte Bauchweh und Durchfall auslösen, leidet man wahrscheinlich an einer Laktoseintoleranz. Helfen tut nur eines: Ernährung umstellen – denn einmal laktoseintolerant, immer laktoseintolerant.
Trotzdem wirbt eine Jugendfreikirche im Berner Oberland mit einer angeblichen Heilung. Die Rede ist aber nicht von Therapie oder Tabletten.
«Ich durfte eine mega coole Heilung mit Gott erleben», behauptet die junge Bernerin Christine A.* in einem Instagram-Video. «Ich war laktoseintolerant, konnte also keine Milchprodukte essen oder trinken.» Alles änderte sich für sie angeblich nach einer Predigt, bei der «alle zusammen gebetet haben».
Nach Predigt ist Milch kein Problem mehr
Zuhause habe A.* dann Milch getrunken. «Ich habe auch nach einer Stunde nichts gespürt.» Früher sei es ihr jeweils eine Woche lang schlecht gegangen.
Die Werbung richtet sich an Jugendliche; das Video produziert hat «Bless Thun», eine Thuner Jugendkirche, die von der Religionsgemeinschaft GPMC ausgeht.
Ihr Stil: «Neocharismatisch mit Fokus auf Heilungen und Mission», erklärt Georg O. Schmid von der evangelischen Informationsstelle für Kirchen, Sekten und Religionen. Neocharismatisch – heisst: Genutzt werden viele englische Begriffe und Emojis.
Laktoseintoleranz «bleibt bestehen»
Die Heilungsgeschichte der Jugendlichen ist schwer zu glauben. Denn: «Wenn ein Laktasemangel besteht, wird von einer Laktoseintoleranz gesprochen. Ist ein solcher vorhanden, bleibt er auch bestehen», erklärt Roxane Guillod von aha! Allergiezentrum Schweiz.
Sie erklärt: «Bei einer Laktoseintoleranz nimmt natürlicherweise die Aktivität der Laktase im Verlaufe des Lebens ab.» Die Laktase sei das Enzym, das im Darm die Laktose aufspaltet.
«Ob diese Aktivität der Enzyme abnimmt, ist genetisch vorbestimmt. Die Grenze, wieviel Laktose jemand verträgt, ist sehr individuell.»
Heil-Werbung für Kirchen «typisch»
Laktoseintoleranz ist also nicht heilbar, die Beschwerden lassen sich jedoch lindern. «Das wäre typisch», erklärt Religionsexperte Schmid.
«Leiden, die auch ohne Behandlung von selbst aufhören können, machen einen wesentlichen Teil der Heilungsberichte aller Weltanschauungen aus.» Als Beispiele nennt er etwa Suchtprobleme, psychische Leiden und Schmerzempfinden.
Über 400 Mal wurde das Video, das medizinische Falschinformationen verbreitet, angeklickt. Bedenken, dass das Video falsche Hoffnung bei Betroffenen schüren könnte, hat «Bless Thun» offenbar nicht. Die Anfrage von Nau.ch lässt die Jugendkirche unbeantwortet.
*Name geändert