Ausserrhoden erhält Archiv seiner untergegangenen Bank zurück
Nach Jahren der Verhandlungen haben sich die UBS und die Ausserrhoder Regierung zum Archiv der untergegangenen Kantonalbank geeinigt. Dank neuer Verträge ist absehbar, dass es wieder Eigentum des Kantons wird. Der Privatbesitz der Akten war jahrelang ein Politikum.
Was für die Schweiz der Untergang der einst stolzen Swissair war, war für Ausserrhoden der Verlust der eigenen Kantonalbank. Die 1996 an die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) verkaufte Ausserrhoder Kantonalbank (ARKB) ist bis heute Thema.
Ausserrhoden verlor damals nicht nur seine Bank, die unter anderem durch dubiose Geschäfte – so wurde ein Bordell in Genf finanziert – in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war: Das Bankarchiv ging in den 1990er Jahren an die SBG und später an die UBS AG über. Sie verwaltete die Akten der ursprünglich öffentlich-rechtlichen Anstalt jahrzehntelang als Privatarchiv.
Bestände nicht für die Öffentlichkeit zugänglich
Dass für die Akteneinsicht spätestens seit einer Vereinbarung von 2003 die internen Richtlinien der UBS galten, störte die Ausserrhoder SP-Kantonsrätin Judith Egger. Das verfassungsmässige Einsichtrecht Dritter in amtliche Akten sei ausgehebelt worden.
Die UBS bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schriftlich: «Das Firmenarchiv von UBS ist ein Privatarchiv, weshalb seine Bestände nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind.» Weitere Fragen, etwa ob Anträge von Forschenden um Einsichtnahmen bewilligt wurden, beantwortete die Medienstelle nicht.
Unter anderem der Status des ARKB-Archivs als Privatarchiv veranlasste Egger vor über zehn Jahren zu ihrem Postulat «zur Überführung des Kantonalbankarchivs in das Staatsarchiv von Appenzell Ausserrhoden».
«Der Kanton hat mit der Anerkennung des Eigentums der UBS am Kantonalbankarchiv nicht nur die Entscheidungsgewalt über das Einsichtsrecht aus der Hand gegeben, sondern im schlimmsten Fall auch die Kompetenzen über die allfällige Vernichtung von Akten», sagte Egger.
Archiv langfristig gesichert
Die Frage, ob die Akten überhaupt noch existieren, habe wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen geschwebt. Nun sei das Archiv langfristig gesichert.
Denn physisch sind bereits wieder alle Akten der ARKB im Staatsarchiv in Herisau. Dies regelt der sogenannte Outsourcingvertrag, wie dem Schlussbericht der Ausserrhoder Regierung zum SP-Postulat zu entnehmen ist.
Das Staatsarchiv kann aber erst dann wieder über Gesuche um Einsichtnahmen in die Akten entscheiden, wenn diese effektiv wieder Eigentum des Kantons sind. Davor entscheidet weiterhin die UBS über die Einsicht der im Staatsarchiv gelagerten Akten.
Die Eigentumsfrage regelt der zweite Vertrag, die sogenannte Übernahmevereinbarung. Dokumente, welche dem Bankkundengeheimnis unterliegen, werden spätestens 60 Jahre nach ihrer Archivierung wieder Eigentum des Kantons. Alle zwei Jahre soll eine neue Charge an Akten übergeben werden.
Damit sei ein zweites Mal das Eigentum der UBS an amtlichen Akten – die aus Sicht der SP unveräusserbar sind und nie hätten Eigentum eines privaten Unternehmens werden dürfen – anerkannt worden, bemängelte SP-Kantonsrätin Egger.
Sie hätte sich eine sofortige Trennung der Akten mit Informationen zu Kundenbeziehungen von den Organakten, wie Sitzungsprotokolle der Bankkommission oder Geschäftsberichte, gewünscht. Die Organakten hätten dann, so Egger, sofort in das Eigentum des Kantons übergehen können.
Eine Trennung von Kunden- und Organakten sei geprüft worden, sagten Jutta Hafner und Roger Nobs. Hafner hat als Ausserrhoder Staatsarchivarin die Bestände der ARKB-Akten gesichtet und Nobs war als Ausserrhoder Ratschreiber an den Verhandlungen mit der UBS beteiligt.
In den Beständen seien Kunden- und Organakten oft in denselben Bänden zusammengefasst, so Hafner und Nobs. Es widerspräche archivarischen Standards, gebundene Aktenserien auseinanderzunehmen. Eine saubere Trennung von Organ- und Kundenakten sei daher nicht möglich.
Sorgen um den Zustand des Archivs
Wie SP-Kantonsrätin Egger sorgen sich auch Nobs und Hafner um den Zustand des Archivs. «Es ist von hoher Bedeutung, dass die Akten alle beisammen und bei uns im Staatsarchiv sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass man sehr lange nicht gewusst hat, ob noch alle Akten vorhanden sind und wo sie sich genau befinden», sagte Nobs.
Dem Kanton sei es gelungen, die Akten eines zentralen Akteurs der Ausserrhoder Wirtschaftsgeschichte langfristig zu sichern, so der Ratschreiber weiter. Nobs und Hafner sind sich einig, dass der Aktenbestand der ARKB unter der Ägide der UBS integral erhalten geblieben sei.
Bereits von Experten aufbereitet
Staatsarchivarin Hafner dämpft jedoch die Erwartungen, dass wenn in rund 30 Jahren auch die ARKB-Akten aus den 1990er-Jahren Eigentum des Kantons werden und nach den Regeln des Staatsarchivs eingesehen werden können, neue Erkenntnisse über den Niedergang der ARKB ans Licht kommen.
«Vor allem, da sämtliche Akten der kantonalen Verwaltung zur ARKB bereits im Staatsarchiv archiviert werden», so Hafner. In zwei Berichten von 1996 sei der Niedergang unter voller Akteneinsicht bereits umfassend von externen Experten aufgearbeitet worden.
Anders sieht dies SP-Kantonsrätin Judith Egger. Sie erhofft sich durchaus noch neue Erkenntnisse, sobald das Staatsarchiv und nicht mehr die UBS über das Einsichtsrecht entscheidet. «War die SBG tatsächlich die einzige Bank, die sich für den Kauf der ARKB interessierte?», nennt Egger eine ihrer Ansicht nach offene Frage.
Zudem erhofft sie sich, dass die Vorgänge in den letzten Tagen des Bestehens der ARKB durch Forschende noch genauer beleuchtet werden können.