Aargauer tötet Frau fast – jetzt sind sie wieder ein Paar

Nach dem Angriff mit einem Schraubenzieher dürfen der 76-Jährige und seine Frau wieder in einem Haus wohnen – trotz Gutachten und Kontaktverbot.

Schraubenzieher
Mit einem Schraubenzieher fügte der 76-Jährige seiner Ehefrau Verletzungen zu. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Rentner greift im Juli 2024 seine Frau mit einem Schraubenzieher an – sie überlebt.
  • Trotz der Tat wollen beide weiterhin zusammenleben und lehnen Hilfe ab.
  • Ein Gutachten sieht ein langfristig hohes Rückfallrisiko und rät zu Therapie.

Im Juli 2024 sticht ein 76-jähriger Rentner mit einem kleinen Schraubenzieher auf seine 73-jährige Ehefrau ein. Das Paar ist seit 54 Jahren verheiratet.

Die Frau überlebt den Angriff mit Stichverletzungen an Hals und Brust. Ihre Hilfeschreie alarmieren die Nachbarschaft im aargauischen Dorf Widen. Nach der Tat wird der Mann in Untersuchungshaft genommen, die Frau kommt ins Spital.

Ehepaar will zusammenbleiben

Einige Wochen später geschieht Überraschendes: Beide wollen trotz der Gewalttat wieder zusammenleben.

Das Zwangsmassnahmengericht verhängt gegen den Mann zunächst auf Antrag der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten ein Kontaktverbot, ausgenommen Telefonate.

Hinzu kommen ein Rayonverbot für das Wohnhaus und die Pflicht zur Beratung bei der Anlaufstelle gegen häusliche Gewalt.

Später werden die Massnahmen verschärft, unter anderem mit der Auflage, mit der Gewaltschutzstelle der Kantonspolizei zu kooperieren. Der Mann wehrt sich dagegen mit einer Beschwerde.

Paar lehnt professionelle Hilfe ab

Entscheidend für die gerichtliche Beurteilung ist ein psychiatrisches Gutachten. Die Gutachterin beschreibt eine ausgeprägte Beziehungsasymmetrie.

Der Mann habe unterwürfige, sogenannte «dependente Züge», sei seiner Frau sehr zugetan. Er habe aber jahrelang Vorwürfe, Eifersucht und sogar körperliche Übergriffe ertragen.

Den Angriff mit dem Schraubenzieher habe er in einem Zustand starker Wut begangen. Möglicherweise auch wegen altersbedingter Schwächen in seiner Steuerungsfähigkeit.

Er selbst sprach gegenüber der Polizei von einem «Blackout» und zeigte sich schockiert über seine Tat. Auslöser sei gewesen, dass seine Frau ihn mit Vorwürfen bezüglich anderer Frauen konfrontierte.

Trotz des Vorfalls wollen beide wieder zusammenleben. Sie lehnen professionelle Hilfe ab und glauben, den Vorfall selbst verarbeitet zu haben.

Der Mann missachtet sämtliche gerichtliche Auflagen, trifft sich weiterhin mit seiner Frau und zieht schliesslich wieder bei ihr ein. Auch meldet er sich nicht bei der Anlaufstelle.

Die Gutachterin stuft das Rückfallrisiko als moderat ein – langfristig jedoch als hoch. Sie rät zu einer mehrjährigen Psychotherapie, sieht aber nur mässige Erfolgsaussichten, da der Mann einer Behandlung ablehnend gegenübersteht.

Gericht hebt Massnahmen auf

Das Obergericht hebt schliesslich Ersatzmassnahmen wie Kontakt- und Rayonverbot auf. Begründet wird dies damit, dass die Staatsanwaltschaft den Mann trotz Verstössen nicht wie angekündigt wieder in Haft gesetzt hat.

Zudem sei die Entscheidung der Frau, eine Therapie abzulehnen, als «Ausdruck ihres freien Willens» zu respektieren.

Die Beschwerde des Mannes wird gutgeheissen, das Urteil ist rechtskräftig. Das Ehepaar darf wieder zusammenleben.

Die Strafuntersuchung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung läuft weiter. Wann es zu einer Anklage kommt, ist noch offen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

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