Forderungen aus dem Volk mündeten in stärkerer Klimapolitik
Forschende haben eine klare Kopplung zwischen Klimaschutzmassnahmen und öffentlicher Meinung gefunden. Somit führen Klima-Forderungen zu stärkeren Massnahmen.

Das Wichtigste in Kürze
- Ab Mitte der 1990er-Jahre reagierte die Politik stark auf die Volksmeinung zum Klima.
- Dies zeigt eine Analyse von Zeitungsartikeln.
Politische Entscheidungsträger aus demokratisch regierten Ländern reagierten ab Mitte der 1990er-Jahre in erheblichem Masse auf die Volksmeinung bezüglich Klimaschutz: Je mehr dieser in den Vordergrund trat, desto stärker wurde die Klimapolitik vorangetrieben. Das berichten Forschende der Uni Luzern und ETH Zürich im Fachmagazin «Journal of Public Policy».
Weil die Klimapolitik in den 1990er-Jahren nur wenig Beachtung fand, gebe es aus dieser Zeit praktisch keine Daten aus Umfragen dazu, sagte die Politikwissenschaftlerin Lena Maria Schaffer von der Uni Luzern gemäss dem Schweizer Nationalfonds (SNF).
Analyse von Zeitungsartikeln
Sie und ihre Kollegen griffen daher auf eine andere Methode zurück, um den Puls der Bevölkerung hinsichtlich Klima zu fühlen: Sie durchforsteten Zeitungsartikel, die in den sechs demokratisch regierten Ländern Schweiz, Deutschland, Spanien, Italien, USA und Kanada erschienen waren. Dies zwischen den Jahren 1995 und 2010. Dabei konzentrierten sie sich jeweils auf zwei grosse Titel, etwa auf «Tages-Anzeiger» und «NZZ» in der Schweiz, auf die «New York Times» und «USA Today» in den Vereinigen Staaten von Amerika oder «FAZ» und «Süddeutsche Zeitung» in Deutschland.

Die gesammelten Artikel teilten sie daraufhin gemäss deren Stossrichtung ein. Je nachdem ob mehr oder weniger Klimaschutz oder ein Erhalt des Status-Quo gefordert wurde. Aussagen von Regierungsvertretern schlossen sie nicht in die Analyse ein. Aus Studien der Kommunikationswissenschaften wisse man, dass grosse Zeitungen die öffentliche Meinung durchaus widerspiegeln und auch, dass sich Politikerinnen und Politiker sich nach der Berichterstattung richten, sagte die Luzerner Assistenzprofessorin Schaffer gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Tatsächlich ging aus der Analyse hervor, dass es eine klare Kopplung zwischen Klimaschutzmassnahmen und öffentlicher Meinung gibt. Als Beispiel der demokratischen Mitbestimmung nannte Schaffer die Einführung der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe in der Schweiz im Jahr 2008. Denn in den Jahren 2005 bis 2007 seien gehäuft Artikel zu Klimaschutz in den Zeitungen erschienen, während es nach der Einführung wieder weniger Diskussion und Artikel dazu gegeben habe.
Parteizugehörigkeit der Regierung von Bedeutung
In den untersuchten Ländern, in denen jeweils eine Regierungspartei an der Macht ist, zeigte sich ein starkes Signal bezüglich Parteizugehörigkeit: Linke Regierungen ergriffen während des Untersuchungszeitraums nicht nur mehr klimapolitische Massnahmen. Sondern reagierten auch stärker auf die Nachfrage der Öffentlichkeit. Ob sich das Schweizer System der direkten Demokratie im Vergleich zu den anderen demokratischen Formen auf die Klimapolitik niederschlug, sei nicht Teil der Untersuchung gewesen, sagte Schaffer.

Insgesamt lasse sich beobachten, dass Klimaschutz während der untersuchten Jahre einen immer grösseren Raum eingenommen habe. Nicht nur in den Zeitungen, sondern auch in den Parteien: «Noch in den 90er-Jahren beschäftigten sich nur wenige Parteiprogramme mit Klimaschutz. Heute positioniert sich praktisch jede Partei zu diesem Thema», so die Luzerner Politikwissenschaftlerin. Und: Seit die populistischen Parteien sich vermehrt dem Klima widmeten, lasse sich auch vermehrt eine Polarisierung beobachten.