Über das Abwasser landen viele Medikamente in Flüssen und Seen. Im trockenen Sommer hat sich dieses Problem zugespitzt: Zum Leidwesen der Fische.
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Bachforellen brauchen saubere Flüsse. Doch diese suchten sie im letzten Sommer vergebens. Bild: iStock/ ElChocio - Community
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Hitzesommer wurden in den Gewässern des Kantons Zürich erhöhte Konzentrationen von Mikroverunreinigungen gemessen.
  • Dazu gehören Medikamente wie die Pille, Antidepressiva und Schmerzmittel. Sie beeinträchtigen die Fischgesundheit.
  • Um die Stoffe zu entfernen, werden derzeit viele Abwasserreinigungsanlagen ausgebaut.

Wegen der Hitze des vergangenen Sommers war das Wasser für Bachforellen und Äschen nicht nur zu warm – es war auch zu dreckig. Denn im Kanton Zürich wurden im Sommer ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Mikroverunreinigungen gemessen. Das gab der Zürcher Regierungsrat bekannt.

Der Grund für die Verschmutzung: Wegen der langanhaltenden Trockenheit führten die Gewässer mancherorts nur halb soviel Wasser wie normalerweise um diese Jahreszeit. «Unterhalb mancher Abwasserreinigungsanlagen führten die Flüsse und Seen deshalb mehr geklärtes Abwasser als Frischwasser», sagt Pius Niederhauser vom Zürcher Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL). Und damit stieg auch die Konzentration an Stoffen in den Flüssen, welche die Abwasserreinigung nicht wirksam entfernen kann – darunter viele Medikamente.

Tiere ändern ihr Verhalten

Denn viele von Menschen eingenommene Medikamente werden mit dem Urin wieder ausgeschieden. Etwa die als Prozac bekannte Substanz Fluoxetin, welche beim Menschen in den Stoffwechsel des Glückshormons Serotonin eingreift. Diesem sind auch Stare ausgesetzt, welche oft in der Nähe von Abwasserreinigungsanlagen auf Beutefang sind, schrieben britische Umweltwissenschaftler in einer vor kurzem veröffentlichten Studie. Die Forschenden gaben Staren über 28 Wochen täglich Würmer, die sie mit Fluoxetin versetzt hatten – und zwar in Konzentrationen, wie sie auch um Abwasserreinigungsanlagen zu finden sind. Resultat: Weibchen auf Droge waren weniger attraktiv. Zu ihnen sangen die Männchen seltener als zu jenen Weibchen, die normale Würmer gefressen hatten. Prozac im Abwasser kann also das Balzverhalten von Singvögeln stören.

Während Geschlechtshormone und Antidepressiva im Abwasser sehr aufwändig zu messen sind, ist ein anderes häufig benutztes Medikament relativ leicht nachweisbar: das Schmerzmittel Diclofenac, welches unter anderem in Voltaren-Präparaten vorkommt. Die Diclofenac-Konzentration in Zürcher Gewässern ist zu hoch. Sie übersteigt laut einem vor kurzem erschienenen Bericht des AWEL in 44 Prozent der Gewässerproben einen kritischen Wert von 0.05 Mikrogramm pro Liter. «Ist dieser Wert überschritten, kann eine Schädigung der Fische nicht mehr ausgeschlossen werden», sagt der Biologe Muris Korkaric vom Oekotoxzentrum Eawag-EPFL. Diclofenac schädigt die Nieren von Fischen. «Es führt auch zu Verdickungen der Kiemen und dadurch zu Sauerstoffmangel», sagt Korkaric. So bleibt den Fischen wegen der Schmerzmittel im Wasser buchstäblich die Luft weg.

Ausbau der Kläranlagen

Um dem wachsenden Problem der Mikroverunreinigungen zu begegnen, hat der Bund bereits 2016 beschlossen, grössere kommunale Abwasserreinigungsanlagen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe auszustatten. Dabei wird das geklärte Abwasser unter anderem mit Ozon oder Aktivkohle behandelt. Der Kanton Zürich will bis ins Jahr 2035 achtundzwanzig Anlagen auf diese Weise ausbauen.

«Aus Pilotstudien wissen wir, dass durch diese Behandlung tatsächlich sehr viel weniger Mikroverunreinigungen in unsere Gewässer gelangen», sagt Korkaric. Und die Studien zeigten auch, dass die Umwelt tatsächlich profitierte: In verschmutzen Gewässern waren in Bachforellen Gene aktiv, die anzeigten, dass die Fische gestresst waren. Solche Symptome zeigten Bachforellen dank der zusätzlichen Wasserreinigung jedoch nicht mehr.

Initiated by Gebert Rüf Stiftung

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