Pflanzen mit Genen anderer Arten – bisher war das Gentechnik. Doch nun zeigt sich: Auch wilde Pflanzen schmücken sich mit fremden Genen.
Sieht unschuldig aus, ist in Wahrheit aber ein Gen-Räuber. Das Wildgras Alloteropsis semialata in einer bewaldeten Savanne in Afrika. Bild: P.A. Christin & L.T. Dunning
Sieht unschuldig aus, ist in Wahrheit aber ein Gen-Räuber. Das Wildgras Alloteropsis semialata in einer bewaldeten Savanne in Afrika. Bild: P.A. Christin & L.T. Dunning
Prof. Dr. Christian Parisod forscht am Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern und ist Mitautor der Studie. Bild: Bernard Landon
Prof. Dr. Christian Parisod forscht am Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern und ist Mitautor der Studie. Bild: Bernard Landon
Die Beklaute: Themeda triandra. Zwei Genfragmente dieses Grases wurden in das Genom von Alloteropsis semialata-Populationen integriert. Bild: PA Christin & LT Dunning
Die Beklaute: Themeda triandra. Zwei Genfragmente dieses Grases wurden in das Genom von Alloteropsis semialata-Populationen integriert. Bild: PA Christin & LT Dunning
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Das Wichtigste in Kürze

  • Forscher haben einen bisher unbekannten Mechanismus bei Pflanzen entdeckt: Sie tauschen ganze Gene miteinander aus.
  • Dieser Mechanismus heisst horizontaler Gentransfer und bisher beobachtete man ihn man vor allem bei Bakterien.
  • Die Ergebnisse bedeuten, dass auch Erbgut aus gentechnisch veränderten Pflanzen in andere Arten gelangen könnte.

Menschen verändern Pflanzen gentechnisch, zum Beispiel in dem sie Gene anderer Arten einschleusen. Nun hat ein internationales Team von Pflanzenforschern, unter Ihnen Biologen der Uni Bern, entdeckt: Das machen Pflanzen in der Natur auch, und zwar seit wohl Millionen von Jahren. Sie bedienen sie sich einfach im Gen-Sortiment anderer Arten und übernehmen von ihnen ganze Gene. Das nennt man horizontalen Gentransfer – ein Phänomen, das bisher hauptsächlich von Bakterien bekannt war.

Gestossen sind die Wissenschaftler auf die Genräuberei, als sie das Genom des Wildgrases Alloteropsis semialata analysierten, welches in Asien, Afrika und Australien vorkommt. Sie verglichen die DNA-Sequenzen mit denen von 150 anderen Gräsern, unter ihnen Reis, Mais, Gerste und Bambus und stellten fest: Das Genmaterial von Alloteropsis semialata enthält fast 60 Gene, welche die Pflanze über horizontalen Gentransfer erworben hat. Diese Gene wurden ohne Fortpflanzung direkt von Gras zu Gras übertragen und stammen von mindestens neun verschiedenen anderen Grasarten.

Abkürzung bei der Evolution

Damit umgeht Alloteropsis semialata einen Mechanismus der Evolution, bei dem zufällige Veränderungen im Erbgut bei der sexuellen Fortpflanzung von Generation zu Generation – also durch vertikalen Gentransfer – weitergegeben werden. Diese zufälligen Veränderungen sind oft von Nutzen: Nämlich dann, wenn sie für eine Anpassung an die Umwelt sorgen. Solche Veränderungen können Pflanzen zum Beispiel gegen bestimmte Krankheiten resistent machen. Durch den Genklau übersprang Alloteropsis semialata die langwierige Evolution und konnte sich viel rascher an veränderte Bedingungen – zum Beispiel Krankheiten – anpassen.

Problem: gentechnisch veränderte Pflanzen

Doch der horizontale Gentransfer könnte auch bisher unbekannte Risiken mit sich bringen. So könnten Gene von gentechnisch veränderten Pflanzen – etwa für eine Herbizid-Resistenz – auf ein Wildgras übergehen. «Die Forschung dazu wird uns in Zukunft dabei helfen, zu verstehen, wie Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen in Wildarten oder andere nicht gentechnisch veränderte Pflanzen übertragen werden», wird der Pflanzenbiologe und Studienmitautor Christian Parisod in einer Medienmitteilung der Uni Bern zitiert. «So können wir die unkontrollierte Übertragung von gentechnisch verändertem Erbgut besser eindämmen.»

Initiated by Gebert Rüf Stiftung

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