Union: Flüchtlingsfrage muss Chefsache werden
Fast 220.000 Kriegsflüchtlinge sind bisher in Deutschland erfasst - und es werden mehr. Die Union fordert den Kanzler auf, das Thema zur Chefsache zu machen. Ein NRW-Minister fordert einen «Masterplan».

Das Wichtigste in Kürze
- Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert von der Bundesregierung mehr Einsatz zur Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen aus der Ukraine.
«Die Bundesregierung muss endlich in den Aktionsmodus wechseln, eine konsequente Registrierung und Verteilung in Europa organisieren, den Schutz von Frauen und Kindern garantieren und die Integration ermöglichen», sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der «Rheinischen Post». «Durch die mangelnde Handlungsbereitschaft der Bundesregierung droht bei steigenden Flüchtlingszahlen schnell der Kontrollverlust.» Deutschland brauche schnellstens ein koordiniertes Flüchtlingsmanagement. «Unser Land muss darauf vorbereitet werden, dass binnen kürzester Zeit eine grosse Zahl an Menschen auf der Flucht aus der Ukraine aufgenommen werden», sagte Dobrindt.Wadephul übt Kritik an FaeserUnionsfraktionsvize Johann Wadephul hält Prognosen, wonach eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland kommen, für zu niedrig. «Ich erwarte ein Vielfaches dessen für Deutschland. Deshalb müssen wir uns auch wesentlich besser vorbereiten», sagte der CDU-Politiker der «Bild»-Zeitung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse das Thema «endlich zur Chefsache» machen. Denn offensichtlich nehme Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das Thema immer noch nicht ernst genug, sagte Wadephul.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden bis Sonntag in Deutschland mehr als 218.000 Kriegsflüchtlinge registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte aber deutlich höher sein, weil es im Regelfall keine festen Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen gibt und Ukrainer zudem ohne Visum einreisen dürfen. Nicht erfasst wird ausserdem, wie viele der Geflüchteten womöglich von Deutschland aus weiterreisen zu Freunden oder Verwandten in anderen NRW-Flüchtlingsminister fordert «Masterplan»Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) fordert derweil einen «Masterplan» zur Bereitstellung von einer Million Unterkunftsplätzen. Stamp sagte am Montag im Deutschlandfunk, dass zwar niemand sagen könne, auf welche Grössenordnung man sich einstellen müsse. Aus seiner Sicht wäre es aber «fahrlässig, das jetzt laufen zu lassen». Deswegen brauche man «zunächst mal einen Plan, dass wir eine Million Betten so schnell wie möglich generieren können, damit wir für den Fall, dass es dazu kommt, auch tatsächlich Unterkunft bieten können».
In einem zweiten Schritt gehe es dann um die weitere Verteilung. Zwar gebe es eine unglaubliche Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Jedoch werde man «bestimmte Zahlen haben, die werden wir in Deutschland alleine nicht stemmen können. Dafür brauchen wir internationale Hilfe». Stamp nannte in diesem Zusammenhang die Länder Kanada, die USA, Australien, Portugal und Spanien.Gezielter Schutz von FrauenBundesentwicklungsministerin Svenja Schulze will aus der Ukraine geflüchtete Frauen gezielt unterstützen. «Diese Frauen haben oft Schlimmes erlebt und stehen jetzt in einem fremden Land vor Fragen, auf die sich keine von ihnen vorbereiten konnte», sagte die SPD-Politikerin der «Augsburger Allgemeinen». Schulze kündigte an, das Aktionsnetzwerk Frauen auf der Flucht auch für Frauen und Mädchen aus der Ukraine zu öffnen und Fördermittel für Hilfsprojekte von Frauenorganisationen bereitzustellen.
Der Deutsche Kinderschutzbund appellierte an die Kommunen, die Situation der Jüngsten besonders zu berücksichtigen. Die Kinder und ihre Mütter brauchten zuerst Sicherheit, ein Mindestmass an Privatsphäre, Orte zum Spielen und Betreuer, «die traumasensibel mit ihnen umgehen», sagte der Präsident der Organisation, Heinz Hilgers, der «Rheinischen Post». Auch hätten die Kinder ein Recht auf Bildung, arbeitende Mütter bräuchten eine Kinderbetreuung.Ländliche Regionen rücken in den FokusThüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) plädierte dafür, Geflüchtete verstärkt auf dem Land unterzubringen. «Ich bin davon überzeugt, dass eine Betreuung von Geflüchteten im Nahbereich des ländlichen Raumes eher möglich ist als in der Anonymität der Städte», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Wir sollten deshalb möglichst viele Menschen möglichst schnell in die ländlichen Räume bringen», schlug Ramelow vor. NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) regte in der «Welt» eine Prüfung an, «ob man in den eher einwohnerärmeren Regionen im Osten möglicherweise grossflächigere Einrichtungen bauen kann».
Aussenministerin Annalena Baerbock will sich beim Treffen der EU-Aussen- und Verteidigungsminister für eine EU-weite Verteilung der Flüchtlinge einsetzen. «Es werden viele viele weitere Menschen kommen. Wir werden von der europäischen Aussengrenze verteilen müssen», sagte die Grünen-Politikerin in Hannover, wo sie eine Notunterkunft für Geflüchtete besucht hatte. «Jedes Land in Europa muss Menschen aufnehmen», forderte Baerbock.