In Kiew müssen die Menschen im Ukraine-Krieg jeweils stundenlang ohne Strom und Wasser auskommen. Ein Familienvater berichtet, wie sein Alltag so aussieht.
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Versuchen, positiv zu bleiben: Margarita (l.) und Boris leben während dem Ukraine-Krieg in Kiew. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • In der Ukraine wird die Energieversorgung knapp.
  • Um Strom zu sparen, kappt Kiew die Leitungen täglich mehrere Stunden.
  • Der vierfache Vater Boris Malyovanyi erzählt von seinem Alltag in der Hauptstadt.

Immer wieder sind im Ukraine-Krieg in den letzten Wochen Bomben über Kiew gefallen. Die Situation vor Ort ist nicht einfach.

Das erlebt der Kiewer Boris Malyovanyi jeden Tag. «Es ist okay», sagt er tapfer zu Nau.ch. «Aber ein normales, friedliches Leben wie vorher ist es natürlich nicht.»

Der 47-Jährige ist Vater von vier Kindern, die derzeit alle im Ausland leben. Er wohnt im Moment nur mit Ehefrau Margareta in einer Wohnung in Kiew. «Es ist also wie in den Flitterwochen», scherzt er.

«Wollte nicht, dass meine Kinder hier bleiben»

Malyovanyi streut während des Telefongesprächs mit Nau.ch immer wieder eine Prise Humor in seine Erzählungen ein. Selbst wenn die Themen, über die er spricht, schwierig werden, bleibt er gefasst.

«Im März war die Situation gefährlich, da wollte ich nicht, dass meine Kinder hier bleiben. Wir haben sie ins Ausland gebracht», sagt er. Die beiden Älteren nehmen derzeit von Warschau aus Fernunterricht an einer Kiewer Universität. Die Jüngeren leben bei Malyovanyis Schwiegermutter nahe Prag.

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Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, haben Boris und Margarita ihre Kinder ins Ausland geschickt. Margarita besucht die beiden Jüngeren ab und zu in Tschechien.
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Sie leben dort bei ihrer Grossmutter.
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Der älteste Sohn, Yarik (abgebildet), und der zweitälteste Sohn leben derzeit in Warschau, Polen.
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Boris Malyovanyi und seine Frau sind aber in Kiew geblieben.
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Dort kommt es immer wieder zu Stromausfällen, weil Russland gezielt die Energieversorgung attackiert. Vieles funktioniert dann nur dank Diesel-Generatoren.
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Malyovanyi appelliert deshalb an die Schweizer, Mittel zur Stromerzeugung zu spenden.

«Sie schlagen sich dort gut, aber die fremde Sprache bereitet ihnen natürlich Probleme. Es ist so nicht leicht, gut zu lernen.» Dennoch ist er froh, dass sie vor Ort zur Schule gehen können.

«Unsere Schulen hier haben keine Bunker. Deshalb gibt es nur Fernunterricht – das ist für Kinder schwierig», meint er.

Seine Frau besuche die Kinder ungefähr alle zwei Monate. Er selbst kann sie nicht sehen, denn Männer dürfen das Land nicht verlassen.

«Es ist nicht jeden Tag einfach», sagt er. «Aber wir versuchen, flexibel zu bleiben. Wir haben ja keine andere Wahl.»

Frau von Ukrainer (47) wegen Stromausfall im Lift eingeschlossen

Der Kreml hat es im Ukraine-Krieg auf die Energieversorgung der Hauptstadt abgesehen. Weil der Strom deshalb allmählich knapp wird, geht jeden Tag stundenlang das Licht aus. «Die Situation mit der Energieversorgung ist natürlich unpraktisch», erzählt Malyovanyi.

«Kürzlich war meine Frau gerade in einem Lift, als plötzlich der Strom ausfiel – sie wurde eingeschlossen.» Nach rund 40 Minuten habe man sie dann befreien können.

So sieht es aus, wenn man mit dem Auto durch das dunkle Kiew fährt. - zVg

Boris schickt Nau.ch zudem ein Video, indem zu sehen ist, wie er mit dem Auto durch das dunkle Kiew kurvt.

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Einiges könne man aber auch bei Stromausfall noch tun. «Hat man einen Laptop mit Batterie, kann man im besten Fall noch einige Stunden weiterarbeiten. Und für vieles gibt es Diesel-Stromgeneratoren», berichtet er. Immerhin fliesse bei Stromausfall auch das Wasser in seiner Wohnung noch.

«Ich habe keine Angst»

Im Verlauf des Ukraine-Kriegs haben sich die Sorgen von Boris Malyovanyi gelegt. «Ich habe keine Angst. Im Februar, März, war das noch anders.»

Heute habe sein Land gute Chancen, den Ukraine-Krieg zu gewinnen. «Wir sind aber auf Hilfe vom Ausland angewiesen.»

Der Familienvater appelliert an die Schweiz: «Wenn ihr uns nicht mit Waffen helfen könnt, dann bitte mit Ausrüstung zur Stromerzeugung. Das brauchen wir dringend zum Überleben.»

Diesen Wunsch haben ihm einige Schweizer bereits erfüllt. Ein Hilfsverein hat vergangene Woche Güter zur Stromerzeugung gesammelt. Rund 200 Stirnlampen und 50 Powerbanks kamen so zusammen. Das Material wird in den Ukraine-Krieg geschickt.

Hälfte der Ukrainer ohne Strom nach Raketen

Die Ukraine schätze jede mögliche Hilfe sehr. «Wir mögen die Schweiz und das Schweizer Volk.»

Seine Hoffnung ist es nun, bald seine Kinder wiederzusehen. «Sobald die Stimmung wieder friedlich ist, kommen sie zu uns zurück.»

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Die Überreste einer russischen Rakete in Kiew. Foto: Andriy Dubchak/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Am Dienstag feuerte Russland mehr als 90 Raketen auf die Ukraine ab. Einige Tage vorher sei die Situation deutlich besser gewesen, erklärt Malyovanyi. «Heute sind die Hälfte aller Ukrainer ohne Elektrizität, Wärme und Wasser

Dennoch gibt er die Hoffnung nicht auf: «Wir werden überleben und in diesem Kampf gewinnen!»

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