Tod eines jesidischen Mädchens: Urteil zu IS-Rückkehrerin
Eine Fünfjährige stirbt angekettet in der irakischen Mittagshitze. Eine deutsche IS-Frau tut nichts, um der Tochter der jesidischen Haussklavin zu helfen. Welche Strafe ist dafür angemessen?

Das Wichtigste in Kürze
- Sie soll tatenlos zugesehen haben, als ihr Mann ein versklavtes jesidisches Mädchen in der irakischen Mittagshitze sterben liess: Am Donnerstag (9.30 Uhr) verkündet der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil im Fall der IS-Rückkehrerin Jennifer W. aus Niedersachsen.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte die Frau im Oktober 2021 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hält diese Strafe für zu niedrig.
W.'s irakischer Ex-Mann, der die Fünfjährige damals an ein Gitter im Hof gekettet hatte, ist bereits rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt, auch wegen Völkermordes. Er hatte das Mädchen und dessen Mutter als Sklavinnen gekauft, nachdem diese von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verschleppt worden waren.
Mehr als 50 Grad im Schatten
Das Mädchen starb an einem Tag im August oder September 2015, als Höchsttemperaturen von mehr als 50 Grad im Schatten erreicht wurden. Der Mann wollte das kranke Kind dafür bestrafen, dass es sich auf einer Matratze eingenässt hatte. Dafür fesselte er es in der prallen Sonne mit den Händen in Kopfhöhe an ein Fenstergitter. Bis er das Mädchen wieder losband, hatte es einen tödlichen Hitzschlag erlitten.
Bei der Urteilsverkündung am OLG hatte der Vorsitzende Richter Joachim Baier gesagt, die Angeklagte habe «von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnenhitze gefesselte Kind sich in Lebensgefahr befand». Trotzdem habe sie nichts unternommen, um dem Mädchen zu helfen. Zugunsten von Jennifer W. wertete das Gericht, dass sie nur eingeschränkte Möglichkeiten gehabt habe, die Versklavung von Mutter und Tochter zu beenden.
Es geht um Strafrahmen und Strafmass
Verurteilt wurde die Frau aus Lohne, die sich mit 23 Jahren dem IS angeschlossen hatte, unter anderem wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge. Ursprünglich war sie wegen Mordes angeklagt gewesen, die Bundesanwaltschaft hatte eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Jennifer W. legte gegen ihre Verurteilung ebenfalls Revision ein. Der BGH hatte Ende Januar aber ausschliesslich über die Revision der Bundesanwaltschaft verhandelt. Diese beschränkt sich auf den Strafrahmen und das Strafmass.
Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie bilden eine religiöse Minderheit. Der IS hatte 2014 mehr als 5000 Angehörige dieser Religionsgemeinschaft ermordet. Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Der Bundestag hatte die Verbrechen im Januar als Völkermord anerkannt.