Tochter findet nach 20 Jahren ihre Eltern wieder
Ein Alptraum: Vor 20 Jahren verlieren Eltern in einem Zug ihre 4 Jahre alte Tochter. Die Polizei ermittelt. Doch die Kleine bleibt vermisst – bis jetzt.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine weissrussische Familie fand endlich wieder zusammen.
- Die mittlerweile 24-jährige Tochter verschwand 1999 in einem Vorortzug.
«Wir haben immer mit der Hoffnung gelebt, dass wir sie finden.» Das sagt Ljudmila, als sie die Hand ihrer seit 20 Jahren vermissten Tochter Julia hält.
24 Jahre ist Julia heute. Die Familie – auch Vater Viktor ist dabei – findet nach langer schmerzhafter Trennung in Weissrussland (Belarus) wieder zusammen. Von einem «Wunder» spricht das weissrussische Innenministerium in einem Polizeibericht zu dem aussergewöhnlichen Fall.
In Vorortzug verschwunden
Das Mädchen verschwand am 1. Oktober 1999 in einem Vorortzug zwischen Minsk und Ossipowitschi, wie Polizistin Jelena Sugak in einem Video des Ministeriums sagt. Es war der letzte Zug an dem Abend. Zwei Tage suchten die Eltern, sprachen mit Passanten, klebten Vermisstenanzeigen, bis sie sich an die Polizei um Hilfe wandten.
Doch die Suche der Ermittler nach dem Mädchen in Zügen, an Gleisen und Bahnhöfen sei damals ohne Erfolg geblieben. Auch Aufrufe in den Medien brachten keine Spur.
Nach Russland verschleppt
Was niemand wissen konnte, war, dass Julia zu der Zeit im benachbarten Russland war. Gefunden wurde das Mädchen damals auf dem Bahnhof in Rjasan. Das ist immerhin rund 1000 Kilometer mit dem Zug östlich, noch hinter Moskau, von Minsk aus gesehen.
Wurde sie verschleppt? Erinnern kann sich Julia nicht, wie sie der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti sagte. Aber ihre Zieheltern hätten ihr erzählt davon, wie sie als Kind davon sprach, dass sie andere Leute mitgenommen hätten.
«Das Problem bestand darin, dass die belarussische Polizei mich nur in Belarus gesucht hat. Aber in Russland gab es keine Informationen über ein vermisstes Mädchen. Darum haben sie mich nicht gefunden», sagte die junge Frau.
Freund las Geschichte in der Zeitung
Geholfen hat schliesslich ihr Freund Ilja Krjukow. Der junge Geschäftsmann stellte Recherchen an, auch in Vermisstendateien und im Internet. Bis er in einer Zeitung die Geschichte vom Verschwinden der kleinen Julia Viktorowna las.
«Danach verschwanden alle Zweifel, alles passte, sogar die Narbe auf den Lippen.» Das schrieb das Ministerium in Minsk über die Recherche des jungen Mannes. Mitte August habe sich Ilja gemeldet bei der weissrussischen Polizei. Dann ging alles ganz schnell.
Schuld habe keiner daran, wie es gekommen ist, meint Julia heute. «Es ist gut, dass ich am Leben geblieben und in eine gute Familie gekommen bin.» Nachdem sie damals auf dem Bahnhof in Rjasan gefunden wurde, kam sie zuerst in ein Heim. Später fand sich die Adoptivfamilie, in der sie mit zwei Brüdern aufwuchs.