Terror in Wien: Täter hat laut Behörden das System ausgenutzt
Das Wichtigste in Kürze
- An sechs Orten in der Wiener Innenstadt kam es am Montagabend zu Anschlägen.
- Insgesamt starben 5 Menschen: 4 Passanten und der Attentäter. 22 Menschen wurden verletzt.
- Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus – es kam jedoch zu verschiedenen Verhaftungen.
- In Winterthur ZH wurden zwei junge «Kollegen» des Täters festgenommen.
Seit Montagabend steht Österreich unter Schock: Ein 20-Jähriger zog mit einem Sturmgewehr, einer Pistole, einer Machete sowie einer Sprengstoffgürtel-Attrappe in den Stunden vor dem Corona-Lockdown durch ein Ausgehviertel in der Wiener Innenstadt.
Vor einer Synagoge und weiteren Plätzen in Wien schoss Kujtim Fejzulai auf Menschen – tötete vier und verletzte 22 teils schwer. Neun Minuten später wurde er von einer Spezialeinheit ausgeschaltet.
Der Attentäter hatte laut Innenminister Karl Nehammer «noch jede Menge Munition» bei sich. Dank der gezielten Polizeitaktik sei Schlimmeres verhindert worden. «Ich war zutiefst beeindruckt vom Einsatz der PolizistInnen», so der ÖVP-Politiker.
Verhaftungen in Winterthur ZH und Wien
Nachdem in der Nacht zum Dienstag fieberhaft nach weiteren Tätern gesucht worden war, gingen die österreichischen Behörden zuletzt von einem einzigen Attentäter aus.
«Dennoch haben wir im öffentlichen Raum enorme Sicherheitsmassnahmen ergriffen», sagte der Chef der höchsten Polizeibehörde, Franz Ruf, am Dienstagabend im Sender ORF. Weitere Beteiligte wolle man noch nicht endgültig ausschliessen und zunächst das umfangreiche Bildmaterial weiter auswerten, so Ruf.
Auch wenn die Behörden von einem Einzeltäter ausgehen, kam es nach der schrecklichen Tat zu mehreren Verhaftungen – auch in der Schweiz. Der Einsatzstab «Wien» der Kantonspolizei Zürich hat zwei Schweizer in Verbindung mit dem mutmasslichen Attentäter verhaftet.
An einem Podium des «St. Galler Tagblatts» sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Dienstagabend, dass es sich bei den in Winterthur verhafteten Männern (18 und 24 Jahre alt) um «Kollegen» von Kujtim Fejzulai handelt. «Die drei Männer haben sich auch physisch getroffen», so Keller-Sutter.
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) teilte auf Twitter mit, dass die verhafteten Personen den Strafverfolgungsbehörden des Bundes aus «Terrorismus-Verfahren» bekannt sind.
In Österreich wurden nach dem Blutbad 14 Menschen aus dem Umfeld des Täters vorläufig festgenommen. Zudem wurden 18 Wohnungen durchsucht. Man befinde sich in einer «sensiblen Phase», in der sicherzustellen sei, dass es nicht zu Nachahmungstaten komme, sagte Nehammer am Dienstag.
Täter war den Behörden bekannt
Der in der Nähe der Ruprechtskirche erschossene Attentäter Fejzulai besass nebst der österreichischen Staatsbürgerschaft auch jene Mazedoniens. Für die Behörden war er kein Unbekannter. Er hatte nach Angaben Nehammers versucht, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschliessen.
Er wurde daran gehindert und am 25. April 2019 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt. Er wurde jedoch Anfang Dezember vorzeitig entlassen.
Der spätere Attentäter habe es geschafft, die Justizbehörden vor der Entlassung von seiner Deradikalisierung zu überzeugen, sagte Nehammer. Er habe das entsprechende Programm «brutal, perfide ausgetrickst», so der Minister. «Es kam zu einer vorzeitigen Entlassung eines Radikalisierten.»
Auch danach habe er sich geläutert gegeben: «Er hat sich besonders bemüht, auch bei der Bewährungshilfe.» Die Frage, ob der Mann nach seiner Entlassung von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, beantwortete der Minister nicht klar. Er habe sich aber frei bewegen können.
In einem Interview mit dem «Kurier» doppelte Nehammer nach und kritisierte die Justiz: «Der Täter hat das System perfide ausgenutzt. Er hat offenbar alle, die hier nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, massiv getäuscht und dadurch seine vorzeitige Entlassung erreicht. Genau bei diesem Punkt müssen wir ansetzen.»
Islamischer Staat reklamiert Tat für sich
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte im ORF: «Die Entscheidung, dass der Täter freigelassen wurde, war definitiv falsch.» Wichtig sei nun die Suche nach Komplizen. «Der Terrorist ist nicht vom Himmel gefallen, es muss Menschen gegeben haben, die ihn verführt und radikalisiert haben.»
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag mittlerweile für sich reklamiert. Ein «Soldat des Kalifats» habe die Attacke mit Schusswaffen und einem Messer verübt und in der österreichischen Hauptstadt rund 30 Menschen getötet oder verletzt, darunter auch Polizisten, teilte der IS am Dienstag auf seiner Plattform Naschir News mit.