Ab Montag wollten kosovarische Behörden an den Grenzen keine serbischen Dokumente mehr anerkennen. Nach Unruhen wurden die geplanten Einreiseregeln verschoben.
Kosovo
Die Republik Kosovo hat 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt. - Pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • An der Grenze zwischen Kosovo und Serbien ist es zu Spannungen gekommen.
  • Angehörige der serbischen Minderheit errichteten Barrikaden, es gab offenbar auch Schüsse.
  • Hintergrund waren neue Einreisebestimmungen, die ab Mitternacht gelten sollten.
  • Mittlerweile ist klar: Das Kosovo verschiebt die geplanten Einreiseregeln für die Serben.

Nach Spannungen im Norden des Kosovos nahe der Grenze zu Serbien hat Pristina zugesagt, eine umstrittene Massnahme zu geplanten Grenzkontrollen vorerst zu verschieben.

In Zusammenarbeit mit internationalen Bündnispartnern, verspreche seine Regierung, die Umsetzung der Massnahmen um 30 Tage auszusetzen, teilte Ministerpräsident Albin Kurti in der Nacht zum Montag bei Twitter mit. Voraussetzung sei, dass alle Barrikaden entfernt und eine komplette Freizügigkeit wiederhergestellt würden.

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Albin Kurti, Ministerpräsident von Kosovo. - keystone

Die Regierung verurteile «die Blockade von Strassen im Norden des Kosovos» sowie das Abfeuern von Schüssen durch bewaffnete Personen, hiess es in einer Mitteilung. Pristina machte Belgrad für «aggressive Handlungen» im Laufe des Nachmittags und Abends verantwortlich.

Barrikaden und Schüsse im Norden von Kosovo

Zuvor hatten im überwiegend serbisch bevölkerten Norden des Kosovos militante Serben am Sonntag Barrikaden errichtet und so die Zufahrtswege zu zwei Grenzübergänge nach Serbien blockiert. Unbekannte hätten ausserdem Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben, verletzt worden sei dabei niemand, teilte die Polizei in Pristina am späten Sonntagabend mit.

Zu den Spannungen kam es, weil die kosovarischen Behörden ab Montag (00.00 Uhr) an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkennen wollten. Serben mit derartigen Papieren müssen sich an der Grenze ein provisorisches Dokument ausstellen lassen.

Nach kosovarischer Lesart handelt es sich um eine Massnahme, die auf Gegenseitigkeit beruht. Kosovarische Bürger müssen sich schon seit längerer Zeit beim Grenzübertritt nach Serbien ein provisorisches Dokument ausstellen lassen, weil die serbischen Behörden die kosovarischen Papiere nicht anerkennen. Zudem sollten neue Regeln für die Nummernschilder von Autobesitzern gelten.

Kurti und die politische Führung hätten Kontakt mit US-amerikanischen und europäischen Vertretern gehalten und zugesagt, den Start der geplanten Massnahmen im Grenzverkehr nun auf den 1. September zu verschieben, hiess es in der Regierungsmitteilung weiter. Zuvor hatten sich der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sowie der US-Botschafter im Kosovo, Jeff Hovenier, für einen Aufschub ausgesprochen.

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Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell begrüsste die Verschiebung der Einreiseregeln für Serben im Kosovo. - AFP

Borrell begrüsste die Verschiebung der Massnahmen in der Nacht zum Montag. «Erwarte, dass alle Blockaden sofort entfernt werden», schrieb er auf Twitter. Noch offene Probleme sollten über einen von der EU vermittelten Dialog gelöst werden. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien sei essenziell für deren Weg in die Europäische Union.

Journalistin: «Kosovo-serbische Gruppen lassen ihre Muskeln spielen»

Die Meldungen zu Barrikaden und Schüssen im Norden des Kosovos lösten auf Twitter zahlreiche Reaktionen aus, weshalb die kosovarische Journalistin Una Hajdari in einem ausführlichen Twitter-Thread festhielt, dass sich derzeit im Kosovo «kein Konflikt und keine Eskalation» zusammenbraue.

Hajdari erklärte, dass der Ärger der serbischen Seite vor Allem damit zu erklären sei, dass die Massnahme des Kosovos ausserhalb des offiziellen, von der EU überwachten Dialogs stattgefunden habe. Zu den Barrikaden meinte sie, dass es bereits öfters vergleichbare Strassensperren gegeben habe, und diese selten zu bewaffneten Eskalationen führen würden.

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Die kosovarische Journalistin Una Hajdari hält auf Twitter fest: «Im Kosovo ist sich derzeit kein Konflikt oder eine Eskalation am zusammenbrauen». - Twitter

«Obwohl nichts davon ‹normal› oder willkommen ist, steht es leider in keinem aussergewöhnlichen Verhältnis zu früheren Vorfällen im Norden», so die Journalistin. Una Hajdari führte weiter aus, dass verschiedene politische oder kriminelle kosovo-serbische Gruppen «ihre Muskeln spielen lassen» würden, wenn sie das Gefühl hätten, dass ihre Vorherrschaft in diesem Gebiet bedroht sei – «und ja, sie sind bewaffnet».

Sie fügte hinzu, dass sie jedoch als jemand, die Bondsteel, die grösste US-Militärbasis der Region, persönlich besucht habe, «mit fast 100-prozentiger Sicherheit behaupten» könne, dass «Russland oder Serbien den Kosovo nicht (wieder) über Nacht besetzen können.»

Journalistin kritisiert «Verbreitung alarmistischer Desinformationen»

Die Journalistin kritisierte zudem in einem separaten Tweet die «Verbreitung alarmistischer Desinformationen», die begünstige, dass Aufwiegler sich tatsächlich ermutigt fühlen könnten, auf Menschen zu schiessen während die ganze Welt zuschaue.

Sie warnte deshalb eindringlich: «Also haben Sie das auf Ihrem Gewissen, während Sie Fake News verbreiten.» Dieser Teil richtete sich an zahlreiche Tweets von Nutzern, die bereits einen Einmarsch von Serbien in den Kosovo heraufbeschwörten.

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Die kosovarische Journalistin Una Hajdari kritisiert die «Verbreitung alarmistischer Desinformationen». - Twitter

Die Nato-Mission KFOR teilte währenddessen am Sonntagabend mit, dass die Sicherheitslage im Norden des Kosovos angespannt sei. Sie beobachte die Situation genau und sei gemäss ihrem Mandat «bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein.» Die Nato-geführte Mission konzentriere sich jeden Tag darauf, ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren.

Das heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnte Kosovo hatte früher zu Serbien gehört. 2008 hatte es sich für unabhängig erklärt. Serbien erkennt die Eigenstaatlichkeit des Kosovos nicht an und beansprucht dessen Staatsgebiet für sich.

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