So hat Griechenland seine Gastfreundschaft verloren
Das Wichtigste in Kürze
- Die Griechen sind mit der Menge an Geflüchteten zunehmend überfordert.
- Die EU stellt Forderungen - bietet aber kaum Hilfe an.
- Im letzten Jahr hat sich die griechische Migrationspolitik drastisch verändert.
Einst waren die Griechen für ihre «Filoxenia», ihre Gastfreundschaft bekannt. Die Bewohner der Insel Lesbos schienen Geflüchtete mit offenen Armen zu begrüssen. Seitdem hat sich in Europa viel verändert.
Obwohl das Land schon seit den 90er-Jahren ein Auffangbecken für Flüchtlinge aus allen Himmelsrichtungen ist, scheint es kaum fundamentierte Lösungen für die Flüchtlingswelle zu geben.
Der verheerende Brand in Moria zeigt: Griechenland weiss nicht, wohin mit all den Menschen, das Land scheint restlos überfordert mit der Situation. Die EU stellt Forderungen, bietet aber kaum Hilfe.
Flut der Geflüchteten ist nichts Neues
Schon zu Beginn der 90er-Jahre nahm Griechenland beinahe eine Million Albaner, Bulgaren, Rumänen und Polen auf. Damals gab es noch keine Frontex-Boote oder Wegweisungen an den Grenzen, jeder durfte kommen.
Die Integration der geflüchteten Personen kam schnell, man fand als Nicht-Grieche schnell seinen Platz in der Gesellschaft. Ins Stocken geriet der Integrationsprozess, als die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Türkei an den Stränden Griechenlands auftauchten.
Die deutsche «Tagesschau» etwa analysiert, die Flüchtlingskrise habe die Finanzkrise beinahe nahtlos abgelöst. Fatal für Griechenland. Ab 2015 waren sämtliche griechischen Regierungen gleichermassen überfordert mit den Geflüchteten. Die Sicherstellung einer menschenwürdigen Migrationspolitik war eigentlich gar nicht möglich.
Das Land musste in kurzer Zeit Wohnraum, Essen und medizinische Versorgung für tausende Flüchtlingsfamilien und Migranten bereitstellen. Gleichzeitig kostete der Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise Kraft - die EU-Sparvorgaben mussten erfüllt, der Frust in der eigenen Bevölkerung gedämpft werden.
Die EU ist sich uneinig
Griechenland harrt schon seit der Flüchtlingskrise 2015 ohne Plan, ohne klare Perspektive aus. Die EU ringt sich zwar um schnelle Lösungen - zu einem abschliessenden Punkt ist man aber noch nicht gekommen.
Einzig sogenannte «Hotspots» wurden auf einigen Inseln errichtet, darunter auch das Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos. Registrierungszentren, in denen Flüchtlinge teilweise jahrelang auf ihre Asylverfahren warten müssen. Mehr aber nicht, denn die EU ist sich bei der Migrationspolitik alles andere als einig.
Es fehlen zügige Verfahren, die einen zügigen Asyl-Entscheid garantieren können, mehrfach wurden diese von Brüssel angekündigt. Doch bislang hat es kein EU-Team geschafft, die Zustände in den Lagern nachhaltig zu verbessern. Immer wieder sollen frustrierte EU-Beamte nach nur wenigen Tagen ihren Dienst quittiert haben, berichtet die «Tagesschau».
Auch der «Tagesspiegel» sieht in Sachen Einigkeit der EU noch kein Licht am Ende des Tunnels. Zu gross ist das Zerwürfnis in der Union, schon Seenotrettungen von unter 100 Geflüchteten sorgen für Streitfälle zwischen den Nationen.
Alle wollen helfen, niemand hilft. So auch im aktuellen Fall Moria: Städte in der Schweiz, sowie auch in Deutschland, erklären sich dazu bereit, Geflüchtete aufnehmen zu wollen. Die Regierungen blocken zunächst ab, der Bundesrat gab am Freitagnachmittag doch noch nach. Insgesamt 20 unbegleitete Minderjährige sollen aufgenommen werden.
Griechenland setzt auf Abschreckung
Inzwischen ist Griechenland zur «tristen Wartehalle Europas» verkommen, wie es viele deutsche Zeitungen nennen. Seit vergangenem Sommer amtiert unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis eine sehr konservative Regierung. Gleich zu Beginn wurde das Migrationsministerium abgeschafft, entsprechende Aufgaben dem Heimatschutzministerium übergeben.
Fatal für die Migrationspolitik, seit 2019 wird nicht mehr auf Integration und Versöhnung gesetzt, sondern auf Abschreckung. Nicht nur Griechenland, auch Europa fährt eine ähnliche Strategie.
Die europäische Grenzschutzagentur Frontex wurde und wird aufgestockt; die Arbeit der Flüchtlingshelfer, die Unterstützung von NGOs immer kritischer hinterfragt und zurückgedrängt.