Entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Staatsanwaltschaft will ein russisches Ermittlungskomitee im aufsehenerregenden Fall von drei Schwestern, die ihren Vater nach jahrelangem Missbrauch getötet hatten, an der Mordanklage festhalten.
Demonstration für Freilassung der drei Schwestern
Demonstration für Freilassung der drei Schwestern - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Junge Frauen erstachen Vater - Staatsanwaltschaft wollte Mordvorwurf fallen lassen.

Die Untersuchungsbehörden hätten «beschlossen, die Position der Staatsanwaltschaft zu ignorieren», sagte der Anwalt der jungen Frauen am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Die drei Schwestern hatten nach Jahren physischer, sexueller und psychischer Übergriffe ihren Vater im Juli 2018 im Schlaf erstochen; der Fall hatte Russland geschockt.

Das Ermittlungskomitee hatte im Dezember gefordert, die beiden älteren Schwestern wegen Mordes und Verschwörung zum Mord vor Gericht zu stellen. Die Staatsanwaltschaft war der Mordanklage nicht gefolgt und forderte die Untersuchungsbehörde auf, den Mordvorwurf fallen zu lassen. Die Ermittler hatten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den «systematischen» Missbrauch durch den Vater nicht berücksichtigt.

Die Frauen waren zum Tatzeitpunkt 17, 18 und 19 Jahre alt. Den damals volljährigen Schwestern drohen bei einer Verurteilung wegen Mordes bis zu 20 Jahre Haft. Für die jüngste Schwester wollen die Ermittler eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie erreichen.

Nach Angaben von Anwälten waren die drei Schwestern fast jeden Tag von ihrem Vater geschlagen worden. Er hat sie demnach auch regelmässig sexuell missbraucht, mit einer Luftpistole auf sie geschossen und sie bei einem Vorfall im Jahr 2018 mit Pfefferspray besprüht. Die Älteste wäre dabei beinahe erstickt. Nachbarn und Verwandte wandten sich an die Polizei, wurden jedoch nicht ernst genommen. Nach einem Suizidversuch der jüngsten Schwester beschlossen die beiden älteren, den Vater zu töten.

Der Fall der drei Schwestern ist in Russland zum traurigen Symbol für die häusliche Gewalt im Land und die Untätigkeit der Behörden geworden. 2017 hatte Präsident Wladimir Putin ein Dekret erlassen, das die Strafe für Misshandlungen innerhalb der Familie abschwächte. Gegen Ersttäter wird seitdem nur noch eine Geldstrafe statt einer Haftstrafe verhängt. Menschenrechtsaktivisten werfen der russischen Polizei vor, Fälle häuslicher Gewalt häufig nicht zu verfolgen. Frauen, die sich mit Gewalt zur Wehr setzen, drohen hingegen harte Strafen.

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