Bekommt die polnische Regierung eine weitere Ohrfeige des Europäischen Gerichtshofes? Ein Ersuchen aus den Niederlanden könnte dafür jetzt den Weg ebnen.
Warschau
Über dem Eingang des Obersten Gerichts in Warschau hängt ein Banner mit der Aufschrift «Konsytucja» (Verfassung). Foto: Natalie Skrzypczak/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Polen drohen neue Komplikationen wegen seiner Justizreform.
  • Die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte wird stark angezweifelt.
  • Künftige Haftbefehle aus Polen könnten künftig nicht mehr vollstreckt werden.

Polen droht neuer Ärger wegen seiner umstrittenen Justizreform. Ein Ersuchen aus den Niederlanden könnte zum Auslöser für weitere Komplikationen zwischen dem Europäischen Gerichtshof und der polnischen Regierung werden.

Ein Amsterdamer Gericht hat sich mit brisanten Fragen zur Auslegung von EU-Recht an die höchsten europäischen Richter gewandt. Dies wurde der dpa von einem Sprecher des Europäischen Gerichtshofes bestätigt.

Sie sollen entscheiden, ob grundsätzliche Zweifel an der Unabhängigkeit der polnischen Justiz bestehen. Dies könnte ein allgemeines Vollstreckungsverbot für Europäische Haftbefehle aus Polen rechtfertigen.

Die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte steht unter Druck

«Seit 2007 steht die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte und dadurch das Recht auf einen ehrlichen Prozess immer stärker unter Druck». Dies teilte das Amsterdamer Gericht mit. Die Entwicklungen in den vergangenen Jahren wirkten sich stark auf die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte aus. Diese könnten nicht mehr unabhängig von der polnischen Regierung und dem polnischen Parlament sein.

Wann der EuGH ein Urteil in der Sache sprechen wird, ist nach Angaben des Sprechers noch unklar. Das Amsterdamer Gericht hat allerdings gebeten, seine Fragen als dringlich zu bewerten. Dies könnte bedeuten, dass es bereits in wenigen Monaten eine Entscheidung gibt.

Symbolbild Urteil
Hat das Attest vor Gericht eine Chance? Experten sagen Nein. - Pixabay

Kann ein Haftbefehl schon dann nicht ausgeführt werden, wenn eine «reelle Gefahr» eines unfairen Verfahrens besteht? Das will das Amsterdamer Gericht konkret wissen. Dies wäre so, weil die polnischen Gerichte «aufgrund struktureller und grundlegender Mängel nicht mehr unabhängig sind». Bislang war es eigentlich so, dass dies im Einzelfall geprüft werden musste.

Haftbefehle aus Polen könnten künftig nicht mehr vollstreckt werden

Der EuGH urteilte bereits im Juli 2018, wozu die umstrittene Justizreform führen könnte. Behörden anderer EU-Länder dürften Europäische Haftbefehle aus Polen künftig nicht vollstrecken. Allerdings wurden dazu auch Hürden aufgebaut.

Die Behörden müssen diesem Urteil zufolge zunächst einmal einiges geklärt haben, um die Vollstreckung des Haftbefehls abzulehnen. Systematische oder allgemeine Mängel im Justizsystem müssen eine Gefahr für das Grundrecht auf ein faires Verfahren darstellen. Zu prüfen ist anschliessend, ob sich festgestellte Mängel im konkreten Fall auf das Verfahren des Betroffenen auswirken könnten. Ob diese Unzulänglichkeiten im Justizsystem auch auf die infrage kommenden Gerichte zutreffen, muss ebenfalls untersucht werden.

Hintergrund des Urteils war der Fall eines in Irland verhafteten Polen. Er wehrte sich gegen seine Auslieferung an die polnischen Behörden. Der wegen Drogenhandels verfolgte Mann argumentierte, dass die echte Gefahr bestehe, dass er in Polen kein faires Verfahren erhalte. Grund dafür sei die Reform des polnischen Justizsystems.

Er stützte sich dabei unter anderem auf die Position der EU-Kommission. Diese ist der Ansicht, dass die Reform die Gewaltenteilung gefährdet und die Unabhängigkeit von Gerichten einschränkt. Dass dies tatsächlich so ist, befanden im November vergangenen Jahres schliesslich auch EuGH-Richter. Sie erklärten die Zwangspensionierung von Richtern in Polen für unionsrechtswidrig.

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