Kurz nach der Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zu Haft in einem Straflager sind die russischen Sicherheitskräfte massiv gegen Demonstranten in mehreren Städten vorgegangen.
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Festnahme bei Demonstration in Moskau - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • NGO: Mehr als 1300 Festnahmen - Putin-Rivale soll fast drei Jahre in Straflager.

Mehr als 1300 Menschen wurden am Dienstagabend bei Protesten gegen Staatschef Wladimir Putin festgenommen, wie die Nichtregierungsorganisation OVD-Info mitteilte. Zu den Demonstrationen hatten Anhänger des wichtigsten Putin-Widersachers unmittelbar nach der Urteilsverkündung aufgerufen.

Allein in Moskau nahm die Polizei nach Angaben von OVD-Info 1116 Protestierende fest, in St. Petersburg gab es demnach 246 Festnahmen. Auch in anderen Städten fanden Proteste statt und wurden Menschen in Gewahrsam genommen. OVD-Info bezifferte die Gesamtzahl der Festnahmen in der Nacht zum Mittwoch auf 1377. Einige Stunden zuvor hatte die Organisation noch eine Gesamtzahl von rund 1170 Festnahmen genannt.

Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten, wie in Moskau Polizisten mit Gummiknüppeln auf Demonstranten einprügelten. Von russischen Medien veröffentlichte Videos zeigten, wie Demonstranten von der Polizei durch die Strassen und auch in die U-Bahn hinein verfolgt wurden. In Videos war auch sehen, dass Protestierende von Polizisten aus Taxis gezerrt wurden.

Hunderte Menschen waren am Abend in Moskau durch die Strassen marschiert. In Sprechchören bezeichneten sie Putin als «Dieb». Bereits an den zwei vergangenen Wochenenden hatten im ganzen Land zehntausende Menschen gegen den Staatschef demonstriert.

Ein Moskauer Gericht entschied am Dienstag, dass der nach einem Giftanschlag in Deutschland behandelte Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe nun in einer Strafkolonie ableisten muss. Von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ihm ein früherer Hausarrest abgezogen.

Laut Nawalnys Anwältin Olga Michailowa läuft dies auf «ungefähr» zwei Jahre und acht Monate Haft hinaus. Sie kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

Das Urteil rief international Empörung hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Nawalnys sofortige Freilassung und das «Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten». Das Nawalny-Urteil sei «fernab jeder Rechtsstaatlichkeit», schrieb Merkels Sprecher Steffen Seibert im Onlinedienst Twitter. Auch US-Aussenminister Antony Blinken erklärte, Nawalny müsse «umgehend und bedingungslos» freikommen.

Die russische Regierung wies die internationale Kritik an dem Urteil als «Einmischung» zurück. Die Forderungen «westlicher Kollegen» nach Freilassung Nawalnys seien «von der Realität abgekoppelt», zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des Aussenministeriums.

Nawalny hatte sich in der Gerichtsanhörung vehement gegen seine Verurteilung gewehrt und die Russen zum Widerstand gegen Putin aufgerufen. Er machte den Staatschef erneut für den auf ihn verübten Anschlag verantwortlich.

Der auf Nachforschungen zu Korruption spezialisierte Oppositionelle war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nun wurde dem 44-Jährigen unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.

Der Kreml-Kritiker bestritt vor Gericht, gegen die Bewährungsauflagen verstossen zu haben. Er habe den russischen Behörden seine deutsche Adresse mitgeteilt, sagte er. Nach Deutschland war Nawalny nach dem in Sibirien verübten Giftanschlag gebracht worden, durch den er beinahe getötet worden wäre.

Nawalny wurde dann direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Januar am Flughafen in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Es war eine von bereits mehreren kürzeren Haftstrafen gegen Nawalny, lange Zeitstrecken wie die nun drohenden fast drei Jahre war er aber noch nie in Haft.

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