Neun Jahre lang lebte eine Familie völlig isoliert von der Aussenwelt auf einem niederländischen Bauernhof. Die Nachbarn kannten nur den Kopf der Gruppe.
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Ein Bild des niederländischen Hofs, auf dem sechs Personen während neun Jahren isoliert lebten. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Montag fand die Polizei in der Niederlande eine Familie, die jahrelang isoliert lebte.
  • Ein 58-Jähriger gebürtiger Wiener wurde festgenommen.
  • Die Nachbarn hatten von den fünf auf dem abgelegenen Hof lebenden Personen keine Ahnung.
  • Der 25-Jährige, der am Montag Hilfe suchte, war allerdings auf Social Media aktiv.

Nach der Entdeckung einer seit Jahren isoliert lebenden Familie im Osten der Niederlande laufen die Ermittlungen der Polizei auf Hochtouren. Eine Sondergruppe von 25 Beamten untersuche den Fall. Das teilte die Polizei in der Provinz Drenthe am Mittwochmorgen mit.

Viele Fragen seien offen. Auf einem abgelegenen Bauernhof im Dorf Ruinerwold hatten Beamte eine Familie entdeckt, die dort seit 2010 gehaust haben soll.

Einwohnermeldeamt wusste von nichts

Dies betreffe fünf jetzt erwachsene Kinder und doch auch deren Vater, wie die Personen selbst ausgesagt haben. Festgenommen wurde ein 58 Jahre alter Österreicher. Der gebürtige Wiener war nach Angaben der Polizei Mieter des Bauernhofes und soll dort regelmässig Reparaturen ausgeführt haben, aber dort nicht gewohnt haben.

Der Wiener wolle aber keinen Kontakt zu den österreichischen Behörden, sagte Ministeriumssprecher Peter Guschelbauer der Nachrichtenagentur AFP. Niederländischen und österreichischen Medien zufolge war der Mann als «Josef, der Österreicher» bekannt.

Die Familie war dem Einwohnermeldeamt nicht bekannt.

Niederlande
Polizisten stehen vor Polizeiabsperrungen neben einer Brücke. Total isoliert von der Aussenwelt haben ein Mann und sechs junge Menschen gut neun Jahre lang in einem Keller eines Bauernhofes in den Niederlanden gehaust. - dpa

Gegenüber der Zeitung «AD» erklärten Nachbarn, sie hätten immer nur einen Mann im Garten gesehen. Ein Anwohner sagte: «Der Mann war jeden Tag da. Von den Kindern hatte ich keine Ahnung. Ich bin völlig überrascht.»

Ein anderer Nachbar sagte zu «rtv drenthe», er habe immer gedacht, dass Drogen im Spiel seien. Er berichtete auch, dass mehrmals ein Polizeiauto beim Grundstück vorgefahren sei. Der Mann habe sich aber geweigert, die Polizei auf den Hof zu lassen.

25-Jähriger auf Social Media aktiv

Den Fall hat ein 25-Jähriger ins Rollen gebracht, der in einem Dorfgasthaus in der östlichen Provinz Drenthe aufgetaucht war. Der Wirt schilderte, der 25-Jährige sei total verwirrt gewesen. Er erzählte demnach, dass er neun Jahre lang nicht draussen gewesen sei. Daraufhin rief der Gastwirt die Polizei.

Gegenüber der Zeitung «AD» sagte der Wirt: «Dieser Mann sah ungepflegt aus, hatte langes, verwildertes Haar. Er sagte, dass er Hilfe brauche und nie zur Schule gegangen sei.»

Niederlande
Der 25-Jährige, der am Montag in einem Lokal um Hilfe bat, postete Selfies wie dieses auf Social Media. - Instagram

Wie isoliert die sechs Personen genau lebten, ist nicht klar. Der 25-Jährige, der Hilfe geholt hatte, war etwa auf Instagram und Facebook aktiv. Dort postete er Bilder, die ihn auch draussen zeigen. Offenbar ist er Anhänger der Klimaschutz-Bewegung um Greta Thunberg. Er teilte mehrere Artikel und Videos der Klimaaktivistin auf Social Media.

Wartete Familie auf «Ende der Zeiten»?

In welcher Beziehung der Österreicher zu der Familie stand, ist weiter unklar. Die Polizei konnte auch noch nicht sagen, weshalb die Familie auf dem Hof lebte. Niederländische Medien berichten, dass sie auf das «Ende der Zeiten» gewartet hätten.

Zunächst waren am Dienstag Meldungen laut, dass die Familie in einem Keller gehaust hatte. Später präzisierte die Polizei, sechs Menschen an in einem abschliessbaren kleinen Raum in der Wohnung angetroffen zu haben – Es sei kein Keller gewesen. «Es ist undeutlich, ob sie dort freiwillig waren.»

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Der Hof, auf dem sechs Personen neun Jahre lang isoliert lebten. - dpa

Österreichische Medien erinnerten am Mittwoch an den Fall Josef Fritzl, der vor elf Jahren für grosses Aufsehen gesorgt hatte. Fritzl hatte seine Tochter 24 Jahre lang in einem Keller in Niederösterreich gefangen gehalten und mit ihr sieben Kinder gezeugt.

Die «Kronen Zeitung» verwies in ihrer Mittwochausgabe auch auf den Fall Natascha Kampusch. Die heute 31-jährige Österreicherin wurde vor 21 Jahren auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller gefangengehalten. Im August 2006 gelang der damals 18-Jährigen die Flucht. Stunden später brachte sich der Entführer um. Zuletzt machte sich Kampusch mit einem eigenen Buch gegen Mobbing im Internet stark.

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