Im Missbrauchsfall von Lügde wurde ein ehemaliges Opfer zum Mittäter. Nun wird dem 16-Jährigen der Prozess gemacht.
Auf dem Campingplatz Eichwald, in der inzwischen eingezäunten Parzelle des mutmasslichen Täters, hängt eine Banderole mit der Aufschrift: "Polizeiabsperrung". Foto: Guido Kirchner/dpa
Auf dem Campingplatz Eichwald, in der inzwischen eingezäunten Parzelle des mutmasslichen Täters, hängt eine Banderole mit der Aufschrift: "Polizeiabsperrung". Foto: Guido Kirchner/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Missbrauchsfall von Lügde beschäftigt derzeit das Landgericht Paderborn (D).
  • Nun steht ein 16-Jähriger vor Gericht der vom Opfer zum Täter geworden sein soll.

Zahlreiche Kinder sind auf einem Campingplatz in Lügde missbraucht worden. Aus einem Opfer soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein Täter geworden sein. Darüber urteilt jetzt das Landgericht Paderborn. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Jugendlichen sexuellen Missbrauch von drei Kindern vor.

Der Angeklagte soll selbst von einem der im Fall Lügde im September verurteilten Männer mehrfach missbraucht worden sein. Die beiden hatten jahrelang Kinder auf einem Campingplatz in Lügde an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen zu Niedersachsen sexuell missbraucht.

Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt

Der Anwalt des 16-Jährigen hatte sich zum Prozessauftakt dafür ausgesprochen, dass sein Mandant eine bereits gestartete Therapie nach einem Urteil fortsetzen kann. Wegen seines Alters fand die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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Prozessbeginn in Paderborn hinter verschlossenen Türen. - dpa/dpa/picture-alliance

Dass aus Opfern später Täter werden können, bestätigen Experten. «Das Phänomen gibt es. Natürlich ist das nicht in allen Fällen so, aber wir registrieren das bei einem deutlich erhöhten Prozentsatz», sagt Andreas Schulze von der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Marsberg. Der Psychologe betreut dort Jugendliche.

«Menschen lernen durch Nachmachen dessen, was sie erleben. Ein Mensch mit Missbrauchserfahrung "lernt" vor allem an dem, was er selbst erlebt hat. Dies passiert nicht immer bewusst. Gerade dann, wenn der Missbrauchte massive sexuelle Missbrauchserfahrungen machen musste, dann sind genau diese Erfahrungen das, was er oder sie kennt!», sagt Schulze.

Opfer sind hilflos

Er betont, dass er sich zu dem Fall des 16-Jährigen, der vor dem Landgericht Paderborn steht, nicht äussern kann und will, weil er den Angeklagten nicht kennt.

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Aktenordner zum Fall Lügde im Gerichtssaal. - dpa/dpa/picture-alliance/Archiv

«Den Sexualstraftäter gibt es nicht. Wir müssen immer die unterschiedlichen Motive herausarbeiten», sagt der Diplom-Psychologe über seine Arbeit.

Generell gelte: «Opfer erfahren ein absolutes Ohnmachtsgefühl und sind hilflos. Das wollen sie "nie wieder" erleben und entwickeln als Gegenreaktion ein unglaublich starkes Bedürfnis nach Kontrolle.» Aus dem Opfer könne dann ein Täter werden.

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