Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung verliert an Zugkraft
Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien verliert sieben Jahre nach dem gescheiterten Versuch der Trennung von Spanien weiter an Anziehungskraft. An der jährlichen Kundgebung der verschiedenen separatistischen Organisationen nahmen diesmal in der Regionalhauptstadt Barcelona nach Schätzung der Polizei nur rund 60'000 Menschen teil. Voriges Jahr waren es noch fast doppelt so viele (circa 115'000) gewesen.
In den Jahren vor der Pandemie waren zum Teil mehr als eine Million Menschen anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags «Diada» am 11. September auf die Strasse gegangen. Der Rekord aus dem Jahr 2014 liegt bei 1,8 Millionen.
An den Balkonen habe es diesmal auch deutlich weniger separatistische Fahnen gegeben, stellte die Zeitung «El Periódico» fest.
Xavier Antich bleibt optimistisch
Xavier Antich, Präsident von Òmnium, einer der sieben Vereinigungen, die zur Kundgebung aufgerufen hatten, versicherte, die Unabhängigkeitsbewegung werde trotzdem «nicht aufgeben, bis sie ihre Ziele erreicht hat». Die Demonstranten forderten auch diesmal lautstark «Unabhängigkeit» und ein Referendum über die Abspaltung von Spanien.
«Diada» erinnert an Verlust der Selbstverwaltung 1714. Die «Diada», bei der immer am 11. September an den Verlust der Selbstverwaltung im Jahr 1714 erinnert wird, gilt als Gradmesser für die Stärke des Separatismus.
Dieses Jahr wurde die Demonstration mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, denn es war die erste seit der Vereidigung von Salvador Illa als neuer katalanischer Regierungschef.
Die Rolle von Salvador Illa
Der 58-jährige Sozialist ist der erste Nichtseparatist auf diesem Posten nach langer Zeit. Die Sozialisten von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hatten bei der Regionalwahl am 12. Mai die meisten Sitze errungen.
Das wertete Sánchez als Erfolg seiner Appeasement-Politik. Illa regiert in Barcelona mit Unterstützung gemässigter, linksgerichteter Separatisten.
Sánchez, dessen linke Minderheitsregierung in Madrid ebenfalls auf die Unterstützung von katalanischen Separatisten angewiesen ist, hatte den «Catalanistas» eine Amnestie und weitere Zugeständnisse zugesagt, um sich die nötigen Stimmen für seine Wiederwahl im vorigen November zu sichern.
Zugeständnisse und Folgen
Dieses Jahr gab es zur Regierungsbildung in Katalonien weitere Zugeständnisse, darunter mehr Steuerautonomie.
Nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einem Beschluss zur Trennung von Spanien war Katalonien 2017 unter dem damaligen Regierungschef Carles Puigdemont ins Chaos gestürzt.
Puigdemont konnte damals mit einigen Regierungsmitgliedern ins Ausland fliehen. Mehrere der im Land gebliebenen Mitstreiter wurden zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt, später aber begnadigt.
Unter den Folgen des chaotischen Aufstands – Kapitalflucht und grosse politische Instabilität – leidet Katalonien noch heute.