Mit den Nürnberger Prozessen arbeitete die Justiz die Nazi-Verbrechen juristisch auf. Bis heute haben die Prinzipien von damals grossen Einfluss.
Nürnberger Prozess gegen die hauptkriegsverbrecher
Die Angeklagten vor dem internationalen Militärgericht hören die Verlesung der Anklageschrift bei der Eröffnung des Nürnberger Kriegsverbrecher-Hauptprozesses am 20. November 1945 im Gerichtssaal des Justizpalastes in Nürnberg. In der zweiten Reihe sitzen (von links) Hermann Göring, Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Alfred Rosenberg und Hans Frank. In der hinteren Reihe sind (von links) die Angeklagten Karl Dönitz, Erich Räder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel und Alfred Jodl zu sehen. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Was sich vor 75 Jahren im Nürnberger Justizpalast abspielte, ging in die Geschichte ein.
  • Erstmals überhaupt wurden Politiker für ihre Machenschaften zur Rechenschaft gezogen.
  • Bei Verbrechen gegen Menschlichkeit, gehen die Rechtsgrundlagen stets auf Nürnberg zurück.

Der Nürnberger Justizpalast war wie gemacht für die Amerikaner. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs lag er in ihrer Besatzungszone. Die Gefangenen konnten aus der benachbarten Untersuchungshaftanstalt direkt in den Gerichtssaal geführt werden. Die Entscheidung war klar: Der Nazi-Nomenklatura von Hermann Göring bis Rudolf Hess sollte in Nürnberg der Prozess gemacht werden.

Was sich im Nürnberger Justizpalast vom 20. November 1945 an über ein Jahr abspielte, sollte zum grössten Beispiel der internationalen Strafgerichtsbarkeit in der Geschichte werden. Insgesamt 13 Prozesse gegen Kriegsverbrecher der Nationalsozialisten wurden aufgerufen.

22 Männer als Hauptkriegsverbrecher

Allein im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher sassen 22 Männer auf der Anklagebank. Die Namensliste liest sich wie das Who-is-Who von Hitlers Vasallen. Von Reichsmarschall Hermann Göring über Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess bis zu NS-Aussenminister Joachim von Ribbentrop.

Nürnberger Prozesse
Benjamin Ferencz, der letzte noch lebende Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, 2010 in Nürnberg. - dpa

Zum Auftakt liess das Gericht Filmdokumente über die Nazi-Gräuel zeigen. Daraufhin wandten sich die Verantwortlichen, die allesamt auf «nicht schuldig» plädiert hatten, ab. «Ich glaube es nicht», sagte Hitler-Stellvertreter Hess.

Todesurteile, Haftstrafen und Vergiftung

Heraus kamen am Ende zwölf Todesurteile. Zehn von ihnen wurden am 16. Oktober 1946 in der Sporthalle des Nürnberger Zellengefängnisses vom US-Henker John Woods vollstreckt.

Göring vergiftete sich wenige Stunden vor seiner geplanten Hinrichtung. Sieben der Angeklagten erhielten langjährige, teils lebenslange Haftstrafen, die sie in Berlin-Spandau absassen. Rudolf Hess war jahrelang der einzige und letzte Häftling. Er erhängte sich im Alter von 93 Jahren im Jahr 1987.

Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse
Die Hauptangeklagten (links nach rechts): Hermann Göring, Rudolf Hess und Joachim von Ribbentrop auf der Anklagebank während der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesse am 13.02.1946 in Nürnberg. - dpa

Nürnberg, unmittelbar nach dem Krieg – das sollte in die Justizgeschichte eingehen. Erstmals überhaupt wurden Politiker für ihre Machenschaften persönlich strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen. Die Nürnberger Prinzipien wurden wenig später von den Vereinten Nationen geadelt. Auf ihnen fussten seitdem alle internationalen Strafgerichtshöfe.

Politische Mächte siegen bis heute über das Recht

Überall, wo in international besetzten Gerichten etwa Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden, gehen die Rechtsgrundlagen auf Nürnberg zurück. In Den Haag, wo unter anderem Jugoslawiens Ex-Staatschef Slobodan Milošević auf der Anklagebank sass, genauso wie im afrikanischen Ruanda. Allzu oft habe aber nach Nürnberg noch die politische Macht über das Recht gesiegt.

nürnberger justizpalast
Der Saal im Nürnberger Justizpalast. - Keystone

Dennoch: «Angesichts der Erwartungen, die man heutzutage in die Tätigkeit internationaler Tribunale setzt, lohnt sich der Blick zurück auf ein Geschehen. Eines, das Völkerrecht gleichwohl ein entscheidendes Stück weiterbrachte. Nämlich in die Richtung der personalen Verantwortlichkeit führender Militärs, Politiker und Wirtschaftsführer gewalttätiger Regime». Dies schrieb der frühere Landgerichtspräsident, Rechtsprofessor und Buchautor Klaus Kastner.

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