Einer wissenschaftlichen Studie zufolge erschweren Ankerzentren die Integration von Flüchtlingen. Sie führten auch zu hohen Belastungen bei den Migranten.
Ein Mann betritt ein deutsches Ankerzentrum.
Ein Mann betritt ein deutsches Ankerzentrum. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Studie zeigt, dass Ankerzentren die Integration der Migranten erschweren.
  • Da sie kaum Zugang zu Angeboten hätten, müsste die Integration «nachgeholt» werden.

Die von der grossen Koalition geplanten Ankerzentren könnten einer wissenschaftlichen Studie zufolge die Integration von Flüchtlingen erschweren und dürften die Asylverfahren kaum beschleunigen. Zudem würden diese Einrichtungen zu hohen Belastungen bei den Betroffenen führen, heisst es in der vom Mediendienst Integration am Dienstag vorgestellten Untersuchung.

Da Flüchtlinge in den Ankerzentren kaum Zugang zu Integrations- und Sprachangeboten hätten und nicht arbeiten dürften, müsse die Integration im Anschluss «nachgeholt» werden, beklagen die Wissenschaftler. Forschungen zeigten zudem, dass die Unterbringung in Sammelunterkünften zu hohen Belastungen führen könne. Denn Asylbewerber fänden dort wenig Rückzugsräume und müssten mitunter lange auf die Entscheidung über den Asylantrag warten.

Diese Probleme könnten sich mit den Ankerzentren weiter verschärfen, heisst es in der Studie. Denn diese seien für bis zu 1500 Menschen ausgelegt, zudem betrage die maximale Aufenthaltsdauer 18 Monate.

«Lokale Unterstützungsstrukturen» ignoriert

In den vergangenen Jahren hätten Kommunen und Flüchtlingsinitiativen eine zentrale Rolle in der Integrationspolitik eingenommen, heisst es in der Studie weiter. Die Ankerzentren würden aber die Bedeutung dieser «lokalen Unterstützungsstrukturen» ignorieren und könnten somit dazu führen, dass deren Wissen verloren gehe.

Zudem würden Ankerzentren als Fremdkörper in den betroffenen Kommunen wahrgenommen und könnten so einen Nährboden für Vorurteile liefern. Auch sei fraglich, ob in den Zentren tatsächlich die Asylverfahren beschleunigt werden könnten, wie es das Ziel der Einrichtungen sei. Denn vor allem das EU-Recht verlange eine Berücksichtigung der speziellen Situation etwa von Frauen und Kindern. Die bisherige Planung der Ankerzentren werde aber «den Anforderungen aus internationalen Abkommen und Konventionen nicht gerecht».

Aus migrationswissenschaftlicher Perspektive sei den Ankerzentren mit grosser Skepsis zu begegnen, lautet das Fazit der Forscher. Sie verweisen darauf, dass in den vergangenen Jahren erfolgreiche Konzepte der Unterbringung in Wohnungen entwickelt worden seien. Diese erleichterten den Kontakt zur Gesellschaft vor Ort und ermöglichten eine selbstbestimmtere Lebensführung.

Asylverfahren an die Bundesländer abgeben

Weiterhin plädieren die Forscher dafür, die Asylverfahren an die Bundesländer abzugeben. Denn dezentrale Strukturen hätten sich in der Vergangenheit bewährt.

Beteiligt an der Studie waren die Göttinger Migrationsforscherin Sabine Hess sowie die Wissenschaftler Andreas Pott, Hannes Schammann, Albert Scherr und Werner Schiffauer

Auf die Ankerzentren hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Auch im Masterplan Integration von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) spielen sie eine wichtige Rolle.

Das Wort Anker steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Ziel ist es, mit den Einrichtungen Asylverfahren zu beschleunigen. Deshalb sollen alle relevanten Behörden mit von der Partie sein. In den Zentren sollen Asylbewerber für die gesamte Dauer ihrer Antragsprüfung untergebracht werden. Die ersten dieser Zentren wurden Anfang August in Bayern eingerichtet.

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