Erstmals hat die deutsche Regierung eine nationale Sicherheitsstrategie beschlossen. Dies nach monatelanger Verhandlung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt aus einer Besprechung in einem Sitzungssaal der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt aus einer Besprechung in einem Sitzungssaal der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. - Bernd von Jutrczenka/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Regierung wird heute erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie vorstellen.
  • Darin werden alle Bedrohungen, durch Armeen, Hacker oder den Klimawandel, berücksichtigt.
  • Ein nationaler Sicherheitsrat wird aber nicht gebildet.

Die deutsche Regierung hat nach monatelangen Verhandlungen erstmals eine nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland beschlossen. Das Kabinett verabschiedete das gut 40 Seiten starke Papier in seiner Sitzung am Mittwoch in Berlin.

Die Grundidee der Strategie ist, erstmals alle inneren und äusseren Bedrohungen für die Sicherheit des Landes zu berücksichtigen. Also neben der militärischen Bedrohung etwa auch Cyber-Attacken, mögliche Anschläge auf kritische Infrastruktur und den Klimawandel.

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Kanzler Olaf Scholz bei einem Besuch bei der deutschen Bundeswehr. - keystone

Eine strukturelle Reform der Entscheidungsprozesse wird es aber nicht geben. Auf die Bildung eines lange diskutierten Nationalen Sicherheitsrats zur Koordination der Regierungshandelns verzichtet die Ampel-Koalition. Zu den Inhalten hält sie sich öffentlich noch bedeckt. Allerdings wird schon seit Wochen Erwartungsmanagement betrieben. Tenor: Bitte nicht zu viel Neues oder Konkretes erwarten.

Die Idee: Alles in einem Dokument

Mit dem Thema Sicherheit sind die meisten Bundesministerien befasst – die einen mehr, die anderen weniger. Eine Gesamtstrategie für alle gab es bisher aber nicht. Das Verteidigungsministerium erarbeitete zwar immer wieder mal Weissbücher zur Sicherheitspolitik – zuletzt 2016. Aber darin ging es um die äussere Sicherheit, vor allem um die Landes- und Bündnisverteidigung.

In ihren Koalitionsverhandlungen verständigten sich SPD, Grüne und FDP darauf, erstmals eine umfassende Sicherheitsstrategie zu erarbeiten, wie es sie zum Beispiel in den USA und Japan schon gibt.

Die Institutionen: Kein Nationaler Sicherheitsrat

Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie schon im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden, wo sich jedes Jahr viele Hundert Regierungsvertreter, Experten und Journalisten aus aller Welt versammeln. Dieser Termin hätte für grosse internationale Aufmerksamkeit rund um das Ampel-Papier gesorgt.

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Aussenministerin Baerbock und Kanzler Scholz - AFP/Archiv

So schnell konnten sich aber Kanzler Scholz und seine Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die beiden Hauptakteure im Verhandlungsprozess, nicht verständigen. Der Knackpunkt: Soll ein Nationaler Sicherheitsrat als Schaltstelle in der Regierung gebildet werden? Das Auswärtige Amt fürchtete, an Einfluss zu verlieren, wenn das Kanzleramt die Federführung in dem Gremium übernimmt – eine Machtfrage also. Am Ende entschied man sich dafür, alles so zu lassen, wie es ist.

Berlin setzt auf wesentliche Stärkung der Bundeswehr

Die deutsche Regierung setzt in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie auf eine wesentliche Stärkung der Bundeswehr. «Oberste Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik ist es sicherzustellen, dass wir in unserem Land im Herzen Europas auch künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können.

Deutschlands Sicherheit ist untrennbar mit der unserer Alliierten und europäischen Partner verbunden«, heisst es in dem am Mittwoch beschlossenen Grundsatzpapier weiter.

Dabei seien Bündnis- und Landesverteidigung eins. «Die Bundesregierung wird sich entschlossen gegen jede militärische Aggression oder Einschüchterungsversuche gegen uns oder unsere Verbündeten zur Wehr setzen. Die Bundeswehr bleibt der Garant für die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands.»

Die Kritiker: Länder fühlen sich überrumpelt

Dass die Länder, anders als ursprünglich erwartet, nicht in die Beratungen einbezogen wurden, sorgt auf deren Seite für Kritik. «Wenn die Bundesregierung ein ernsthaftes Interesse daran hätte, eine zukunftsweisende Sicherheitsstrategie zu entwickeln, so hätte sie die Länder in geeigneter Form über die fachlichen Arbeitskreise der Innenministerkonferenz beteiligen müssen», sagt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), Sprecher der unionsgeführten Innenministerien. Dies sei trotz mehrmaliger Aufforderung über die Innenministerkonferenz bis zuletzt nicht erfolgt.

Die Präsentation: Grösser geht's kaum

Der Rahmen für die Präsentation des Papiers in einer Pressekonferenz gleich nach der Kabinettssitzung könnte grösser kaum sein. Neben dem Kanzler und der Aussenministerin sind dabei: Finanzminister Christian Lindner (FDP), Verteidigungsminister Boris Pistorius und Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Kanzler und vier Kabinettsmitglieder in der Bundespressekonferenz, beim Verein der Hauptstadtjournalisten – das gab es noch nie.

Mit drei Ministern und Ministerinnen hatte zuletzt Gerhard Schröder 1999 dort auf dem Podium gesessen. Damals ging es um den Haushalt und Schröder wurde von den Ministern Hans Eichel (Finanzen, SPD), Walter Riester (Arbeit, SPD) und Andrea Fischer (Grüne, Gesundheit) begleitet. Nur zum Internationalen Frauentag 2001 sassen mit sieben Ministerinnen noch mehr Regierungsvertreterinnen auf dem Podium.

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